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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung
Autoren: Brian Keene
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ist die
Chance seines Lebens«, hatte Tammy nur gesagt. Damit war der Fall erledigt
gewesen. Sie verließen West Virginia und nahmen das einzig Gute mit, das in
Jims Leben noch übrig war.
    Der Umzug hatte ihn am Boden
zerstört. Mit einem Schlag sah er Danny statt an jedem zweiten Wochenende zehn
Wochen im Sommer, eine Woche zu Weihnachten und bei gelegentlichen
Wochenendausflügen nach New Jersey. Hätte er Geld und sich etwas besser im
Griff gehabt, hätte er vor Gericht dagegen ankämpfen können. Doch zu jenem
Zeitpunkt war Jim bereits betrunken am Steuer erwischt worden. Damit war sein
Leumund beim Teufel. Ihm war klar gewesen, dass Tammys Anwalt, der mit seinem Geld bezahlt wurde, ihm bei lebendigem Leib die Haut abgezogen
hätte. Er durfte seinen Sohn einmal die Woche anrufen, doch die Entfernung über
die Telefonleitung ließ ihn seinen Verlust nur umso schmerzlicher spüren.
    Schließlich begann Danny, Rick als
seinen »anderen Dad« zu bezeichnen, was Jim als weiteren herben Schlag empfand.
    Es gab weitere Frauen und
One-Night-Stands. Er spielte mit dem Gedanken, sich ins Grab zu saufen, wusste
aber, dass er es nicht tun würde, weil Danny ihn trotz allem noch brauchte. Er
verlor seinen Job, seine Wohnung, seinen Führerschein und seine Selbstachtung.
Das Einzige, was ihn aufrecht hielt, waren die wöchentlichen Telefongespräche
und die leise Stimme am anderen Ende der Leitung, die stets sagte: »Du fehlst
mir, Daddy.«
    Dann war er Carrie begegnet.
    Jim schluchzte. Bittere Tränen der
Wut und des Verlustes krochen durch die Stoppel in seinem abgehärmten Gesicht.
    Fünf Jahre lang waren sie
glücklich und zufrieden gewesen. Die einzige Traurigkeit, die Jim verspürt
hatte, rührte daher, dass er kein Teil von Dannys alltäglichem Leben sein konnte.
Carrie hatte dazu beigetragen, selbst diesen Schmerz zu lindern.
    Sie hatte ihn gerettet.
    Vor acht Monaten hatte Carrie ihm
beim Abendessen verkündet, dass sie schwanger war. Außer sich vor Freude hatte
Jim sie hochgehoben und geküsst. Er hatte sie so sehr geliebt, dass es
regelrecht schmerzte — Jim hatte es als tatsächliches, körperliches Empfinden
tief in der Brust gespürt.
    Dann war die Welt gestorben — und
mit ihr seine neue Frau und ihr ungeborenes Kind. Nun war Carrie in Begleitung
ihrer toten Nachbarn zurück und scharrte mit verwesenden Fingern in der Erde,
um wieder zu ihrem Ehemann zu gelangen.
    Auch Mike und Melissa waren tot,
in Stücke gerissen von einem Dutzend der Kreaturen. Dabei waren sie noch unter
den Glücklicheren gewesen: Ihre Körper wurden so übel zugerichtet, dass für sie
keine Möglichkeit bestand, wieder belebt zu werden. Schaudernd dachte Jim daran
zurück, wie die Dinger über Mikes Auto hergefallen waren, durch die
zerschmetterte Windschutzscheibe gegriffen hatten und in den Wagen gekrochen
waren. Voll Grauen hatten Carrie und er das Geschehen vom Wohnzimmer aus
beobachtet und waren in den Bunker geflüchtet, als die Schreie verstummten und
die schmatzenden Geräusche begannen. Ursprünglich hatten sie vorgehabt,
gemeinsam mit den beiden zu flüchten. Das war ihr erster Versuch gewesen, aus
Lewisburg zu entkommen.
    Trotz der
Kälte schwitzte Jim. Er wischte sich Tränen aus den Augen und ging zum
Minikühlschrank. Nach wie vor mit der Pistole in der Hand öffnete er die Tür,
hielt inne und ließ sich von dem Schwall kalter Luft umfangen. Wie schon so oft
wunderte er sich darüber, dass er sich bereits seit drei Monaten hier unten
verschanzte und noch nie den Generator anwerfen musste. Die Stromversorgung
funktionierte immer noch, genau wie sein Handy. Er dachte an die verwaisten
Kernkraftwerke, die automatisch Elektrizität in eine tote Welt pumpten.
    Wie lange würde es dauern, bis sie
sich abschalteten oder explodierten? Wie lange würden die Funktelefon- und
Rundfunksatelliten in ihren Umlaufbahnen treiben und auf Mitteilungen von den
Toten warten?
    In den ersten Tagen hatten sie
online Verbindung zu Menschen aufgenommen und erfahren, dass die Lage überall
dieselbe war. Die Toten kehrten ins Leben zurück — nicht als verstandlose
Fressmaschinen wie in alten Horrorstreifen, sondern als böswillige Kreaturen,
deren einziges Ziel Zerstörung hieß. Verschiedene Ursachen wurden in Erwägung
gezogen und debattiert. Biologische oder chemische Kriegsführung, Tests der
Regierung, eine Invasion von Außerirdischen, die zweite Ankunft Christi, ein
Meteor aus dem Weltraum — all das wurde mit gleicher Heftigkeit
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