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Auf und ab - Mord in Hellwege

Auf und ab - Mord in Hellwege

Titel: Auf und ab - Mord in Hellwege
Autoren: Wilhelm Wuensche
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nächsten Tag würde er das Rad zur Reparatur bringen. Die körperliche Anstrengung hatte ihm ein gutes Gefühl verschafft, löste aber auch ein leeres Gefühl in seiner Magengegend aus – jetzt hatte er einen gehörigen Hunger.
    Die Verschlusskappe des Ventils war ihm heruntergefallen, und beim Aufheben sah er aus dem Augenwinkel ein Stück vor der letzten Kurve, ungefähr zweihundert Meter zurück, einen großen Wagen halten. Wilhelm Lehmberg wunderte sich nicht darüber, als er seine Fahrt endlich fortsetzen konnte, und nahm keine weitere Notiz von ihm. Es kam häufig vor, dass Ausflügler aus der Stadt am Rand dieser relativ wenig befahrenen Straße hielten, um Blumen am Straßenrand zu pflücken oder das abends auf die Felder heraustretende Wild zu betrachten.
    Vielleicht war es auch einer von den Hellweger Jagdpächtern, der nach zukünftiger Beute Ausschau hielt. Die Bockjagd war offen.
    Das Pumpen hatte offenbar nichts genützt.
    Kurz nach der ungeplanten Unterbrechung der Fahrt ging es gar nicht mehr weiter, weil der Reifen jetzt überhaupt keine Luft mehr hielt. Lehmberg stieg ab und musste sein Fahrrad schieben.
    Nun war er doch ein wenig verärgert und fluchte leise vor sich hin, eigentlich nicht so sehr, weil er gehen musste, sondern weil er sich nun zum Abendbrot verspäten würde.
    An der Abzweigung zum Richtweg blieb er kurz stehen.
    Der Richtweg war immer der direkte Weg in den Ort gewesen. Warum dagegen die jetzige Straße vor zwanzig Jahren in einem anderen Verlauf asphaltiert worden war, wusste niemand, denn sie war ein Umweg.
    Lehmberg überlegte: Wenn er seinen geplanten Weg über die feste Straße zum Ort nähme, würde es noch länger dauern, bis er etwas zu essen bekäme. Der Sandweg durch den Wald war eine beachtliche Abkürzung, und weil er sein Rad ohnehin schieben musste, fiel ihm die Entscheidung für den kürzeren Weg schließlich nicht schwer. Aber schon bald bereute er seinen Entschluss. Auf dem sandigen, lockeren Untergrund, trocken wie Wüstensand, war sein Rad nicht leicht zu schieben, und an der ersten Wegbiegung hielt er einen Moment inne, um einmal durchzuschnaufen und sich zu ärgern.
    Wegen eines Motorengeräusches zurückblickend bemerkte er, dass auch der Wagen, den er schon auf der Straße gesehen hatte, in den Weg eingebogen war und mit laufendem Motor stehengeblieben war. Er war zu weit entfernt, als dass er jemanden erkennen konnte, trotzdem kam ihm das Fahrzeug irgendwie bekannt vor, und er überlegte, ob es womöglich jemand aus Hellwege sein könnte, der ihn nach Hause mitnehmen könnte, wenn man das Fahrrad in den Wagen bekäme. Das Gefährt sah jedenfalls so groß aus, dass ein Fahrrad bequem mit hineinpassen könnte. Er beschloss, sich nicht darauf zu verlassen und schritt tapfer weiter voran.
    Als er die Biegung hinter sich hatte, hörte er hinter sich den Motor aufheulen. Bevor er sich umdrehen konnte, spürte er einen schweren Stoß.
    Wie er überrollt wurde, spürte er nicht mehr.
    Heute war wieder so ein Tag, an dem Bernd Kasing bereute, dass er damals nicht seine Koffer gepackt hatte und mit seiner Familie aus Hellwege verschwunden war. An jenem Tag hätte er die Gelegenheit dazu gehabt, und er hätte es tun sollen. Aber er wusste, dass es jetzt zu spät war.
    Er hatte damals in ihrem kleinen Handwerksbetrieb, einer Schmiede und Schlosserei, den sein Vater leitete, gearbeitet, war Kraftfahrzeug- und Metallbaumeister und an jenem Tag wieder einmal mit seinem Vater aneinandergeraten. Der Alte musste vor einem Kunden wie immer den Chef herauskehren, obwohl Bernd die Hauptarbeit erledigen musste und eigentlich auch die gesamte Verantwortung trug. Er hatte ihn wie einen Schuljungen abgekanzelt. Bernd hatte sich nicht gewehrt, aber als der Kunde gegangen war, hatte es im Büro einen fürchterlichen Streit gegeben. Wenn die Frauen nicht schlichtend eingegriffen hätten, wäre es wohl sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen. Bernd war fest entschlossen gewesen, seinen Abschied zu nehmen, und erst nachdem der Alte zugesagt hatte, den Betrieb kurzfristig an seinen Sohn zu übergeben, war er geblieben.
    Er war nun der Boss und versuchte, ein bisschen mehr aus dem Betrieb zu machen. Er hatte zwei neue Mitarbeiter eingestellt, neue Kundenkontakte geknüpft, die Betriebsgebäude erweitert und neue Maschinen angeschafft.
    Jetzt hatte er die Arbeit, die Verantwortung, die Hetze, den Stress, keinen Feierabend, keine Ruhe, keine Erholung und, wie er allzu oft bedauernd
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