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Auf Umwegen ins Herz

Auf Umwegen ins Herz

Titel: Auf Umwegen ins Herz
Autoren: Sarah Saxx
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über meine Lippen, und wieder verneinte ich. Eigentlich war es umgekehrt. Etwas hatte ihn umgebracht, oder zumindest seine Lebenslust begraben. Und vielleicht war ein Teil davon immer noch unter der Erde. Das musste die Erklärung für seine unverständliche Reaktion sein. Denn ganz hatte er seinen Schatten nicht ablegen können. Da hatte er mir, und wohl auch sich selbst, etwas vorgemacht.
    Ich war verwirrt, rieb meine schmerzenden Augen und seufzte tief. „Isa, woher soll ich wissen, ob er mir die Wahrheit gesagt hat? Immerhin war Georg auch ein ganzes Jahr lang so überzeugend, dass keiner die Wahrheit aufgedeckt hat. Wie soll ich jemals wieder einem Mann vertrauen können? Bei jedem Wort, das Julian zu mir sagte, überlege ich nun, ob er es wirklich so meinte, wie er es sagte! Wann versteckte er sich hinter einer Maske? Wann versuchte er, mir eine Seite von sich zu zeigen, die nicht der Realität entsprach?“
    Verzweiflung machte sich in mir breit. Mein Herz schmerzte, als hätte jemand ein Messer hineingebohrt und würde es ständig hin- und herdrehen. Vor mir tat sich ein Abgrund auf, der mich unaufhaltsam in sich hineinzuziehen drohte. Ich hatte keine Kraft mehr, mich festzuhalten, mich gegen den Sog zu wehren. Kaum nahm ich die Tränen wahr oder das Schluchzen, das mich schüttelte. Ich stürzte kopfüber hinein in die Leere, in ein Schwarz, das meinen ganzen Körper in Besitz nahm und betäubte.

Kapitel 15

    Freier Fall

    Die alte Frau Behring sagte immer: „Das Leben ist wie eine Hühnerleiter. Kurz und beschissen.“ Sie hatte so was von recht! Ich wusste zwar nicht, wie lange ich noch auf dieser verfluchten Welt verweilen durfte, doch die Zeit, die ich bisher hier war, war für mich, zumindest die Liebe betreffend, die reinste Katastrophe. Wehe dem, der mich noch einmal mit dem bescheuerten Spruch „Für jeden Topf gibt es einen Deckel“ aufmuntern wollte!
    Seit Tagen hüllte ich mich ein in meiner Blase aus Enttäuschung, Wut und Selbstmitleid. Ich hatte in der Arbeit angerufen und mir ein paar Tage freigenommen – glücklicherweise hatte ich das aktuelle Projekt abgeschlossen und hätte mir wahrscheinlich so oder so einige freie Tage gegönnt. Mal ganz abgesehen davon, dass ich in meinem jetzigen Zustand sowieso keinem im Büro von Nutzen gewesen wäre, ich hätte höchstens eine Rüge riskiert.
    Mein Herz fühlte sich an wie zerfetzt von der Bombe, die Julian hatte hochgehen lassen. Zerrissen in Tausend kleine Stücke trug ich es in mir herum, und doch fühlte es sich so schwer an wie ein riesiger Felsen. So schwer, dass ich kaum die Kraft aufbrachte, mich aufzusetzen, geschweige denn zu stehen.
    Ich hatte mir ein kleines Nest mit Decken und Polstern auf der Couch gebaut, in das ich Tag und Nacht hineingekuschelt vor mich hin litt. Ein 6er-Tray Mineralwasser stand in Reichweite, nach Essen war mir nicht wirklich zumute. Wenn ich was zu mir nahm, richtete ich mich nur selten ganz auf, sondern blieb weitestgehend liegen.
    Isa schaute fast täglich nach der Arbeit bei mir vorbei. Dass sie sich Sorgen um mich machte, war ihr anzusehen, doch ich konnte sie weder beruhigen, noch hätte ich die Kraft aufgebracht, ihr einen besseren Zustand vorzuspielen als den, in dem ich mich befand – mal ganz abgesehen davon hatte ich nicht vor, mich auf das Niveau von Georg und Julian zu begeben und jemand anderem etwas vorzugaukeln.
    Meine Freundin kümmerte sich rührend um mich, brachte mir jeden Tag eine warme Mahlzeit und etwas Gebäck mit. Doch mein Appetit hatte sich mit Julian in Luft aufgelöst. Meist stocherte ich lustlos im Essen herum, war nach wenigen Bissen satt oder kämpfte gegen die Übelkeit.
    Als meine Mom aus ihrem Urlaub zurückkam, war sie schockiert, in welchem Zustand sie mich vorfand. Doch sie verkniff sich die für sie eigentlich typische Meldung „Ich hab es dir ja gesagt …“ und wechselte sich mit Isa ab. Manchmal kamen sie auch beide und sahen nach dem Rechten. Sie saßen dann mir gegenüber auf meinem Couchtisch, schenkten mir besorgte Blicke oder redeten auf mich ein. Nur selten blieb etwas von dem Gesagten bei mir hängen, aber wenn, dann war es meistens etwas wie „Mach dich nicht selber so fertig“, „Andere Mütter haben auch schöne Söhne“, „Scheiß auf die Männer“, oder „Du solltest wirklich wieder mal etwas essen, das kann so nicht mit dir weitergehen!“
    Ihre Worte ergaben für mich keinen Sinn, rauschten einfach durch meinen Kopf, und alles, was ich
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