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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
Autoren: Donna Leon
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keine Zeit mit Reden und dergleichen verschwenden. Wenn wir fertig waren, ging er immer als Erster raus: Wir waren immer sehr vorsichtig.«
    »Aber nicht immer vorsichtig genug?«, fragte Brunetti.
    »Sie meinen Signor Marsano?«
    »Ja.«
    Fulgoni schüttelte den Kopf bei der Erinnerung. »Einmal standen wir auf dem Hof, als er herauskam. Nicht dass wir irgendetwas getan hätten, aber ihm muss die Sache klar gewesen sein.« Fulgoni hob die Schultern. »Das war ein weiterer Grund, vorsichtig zu sein. Danach, meine ich.«
    »Und an diesem Abend?«
    »Araldo ging als Erster und überquerte gerade den Hof, als ich ihre Stimme hörte. Hier drin war kein Licht, also dachte ich, wenn ich mich einfach still verhielt, würde sie nichts merken. Und dann würde ich damit aufhören. Das wollte ich jedes Mal«, sagte er bedrückt. »Aber ich wusste, ich konnte nicht.«
    Wieder fuhr sich Fulgoni mit dem Taschentuch übers Gesicht, und Brunetti wollte schon vorschlagen, dass sie auf den Hof gehen sollten, als der andere fortfuhr: »Also blieb ich hier drin, in der Falle, und konnte mit anhören, wie die beiden sich stritten. So hatte ich meine Frau noch nie reden hören, sie war völlig außer sich.« Fulgoni drehte sich um und begann die Käfige zurechtzurücken, wobei er aufs Neue Staub aufwirbelte und husten musste.
    Schließlich konnte er wieder sprechen. »Dann hörte ich ein Geräusch. Keine Stimme, sondern ein Geräusch, dann noch mehr Geräusche, dann eine Stimme, aber nur ganz kurz, und noch mehr Geräusche. Und plötzlich gar nichts mehr.«
    Fulgoni zeigte auf das Sofa. »Da lag ich, die Hose hing mir noch um die Füße, und es dauerte eine Weile, bis ich nachsehen konnte, was passiert war.« Er riss sich zusammen und korrigierte sich: »Nein, das war nicht der Grund. Ich hatte Angst vor dem, was ich zu sehen bekommen könnte.
    Jemand ging die Treppe hinauf, das konnte ich hören, aber ich wartete lieber noch. Als ich schließlich zur Tür kam… da«, er zeigte auf die Gittertür zwischen ihnen und dem Hof, »war das Licht an, und ich sah ihn am Boden liegen. Aber das Licht wird über eine Zeitschaltuhr gesteuert, und plötzlich ging es aus. Um es wieder anzumachen, musste ich mich im Dunkeln zum Schalter tasten, immer mit dem Gedanken, er liegt da auf dem Hof.« Er brauchte lange, ehe er weitersprechen konnte.
    »Als ich zurückkam, sah ich, was sie getan hatte. Sie muss den Pullover auf dem Geländer gesehen haben, als sie nach unten kam, und wusste also, dass ich wieder da war. Und dann sah sie ihn herauskommen, und…«
    »Und der Pullover?«
    »Lag neben ihm. Sie muss ihn in der Hand gehabt haben, als sie…« Fulgoni machte ein Gesicht, als müsse er sich übergeben, fing sich aber bald wieder. »Ich nahm mein Taschentuch. Mir war sofort klar, wie man das alles deuten würde oder könnte. Ich wollte nicht, dass ihr etwas geschieht.« Und wie jemand, der plötzlich Ehrlichkeit oder Mut entdeckt, fügte er hinzu: »Und mir auch nicht.«
    Er holte zweimal tief Luft. »Also habe ich mir das Taschentuch um die Hand gewickelt, den Pullover hierhergebracht und in den Käfig gesteckt. Und ihn möglichst flach ausgebreitet.«
    »Was haben Sie dann getan, Signore?«, fragte Brunetti.
    »Ich habe diesen Raum abgeschlossen, bin nach oben gegangen und habe mich schlafen gelegt.«

30
     
    Paola, die zwar keine Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs besaß, dafür aber mit einem Commissario der Polizei verheiratet war, setzte nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Kinder aufs Spiel, als sie höchstpersönlich zum Bahnhof in Mals fuhr, um Brunetti abzuholen. Von dort ging es gleich weiter nach Glurns, wo die Kinder im Restaurant des Hotels La Posta den Beweis dafür ablegten, dass sie fast den ganzen Tag in den Bergen gewandert waren, indem sie einen Riesenteller Speck sowie Tagliatelle mit frischen Pfifferlingen und dann noch Aprikosenstrudel mit Vanillecreme verschlangen.
    Auf der Fahrt zum Bauernhaus fielen Raffi und Chiara in Tiefschlaf und mussten regelrecht aus dem Auto und ins Haus geschoben werden, wo sie sofort in ihre Zimmer verschwanden; immerhin schaffte Chiara es vorher noch, ihn kurz in die Arme zu nehmen und etwas davon zu murmeln, wie sehr sie sich freue, dass ihr Vater nun endlich da sei.
    Später, lang ausgestreckt auf dem Sofa vor dem offenen Kamin, nippte Brunetti an einem winzigen Glas Marillenbrand. Paola holte Pullover für sie beide und legte ihm seinen über die Schultern, aber er
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