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Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Titel: Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela
Autoren: Heinz Malangré
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Heilige“
nachdenken. Wir haben erkannt, daß dies nicht geht, ohne historische Prozesse
zu beachten, die uns bestimmen und begleiten. Von der Cámara Santa in Oviedo
etwa bis zu unserer heutigen Verehrung „des Heiligen“ führt ein langer Weg. Und
doch sehen wir Brücken und Wegweiser, die nicht nur Altes verstehen lassen,
sondern uns in moderner Gläubigkeit zu „Pilgererfahrungen“ führen, die hier und
heute wirken können. — In aller Flucht der Erscheinungen, im Wechsel der
Gedanken, Frömmigkeiten, Formen, des Weltverständnisses, des Lebensgefühls, der
Werte und der moralischen Anschauungen: nur Gott ist heilig. Er ist ganz heilig. Das Heilige — als unpersönliche Essenz — gibt es nicht. Aber es
gibt viel Heiliges. Wir, du und ich, sind dabei mit gefordert und mit am Werk.
Das Problem: Wir brauchen so viele Heilige, und niemand will Heiliger sein...

15. KAPITEL

Die Heimkehr
     
     
    Wenn ich von Heimkehr rede,
dann muß ich uns — Sie, lieber Leser, und mich selbst — noch einmal auf das
„Ziel“ sammeln: auf Santiago de Compostela ; auf den heiligen
Jakobus, sein Grab, seine Kirche, seine Legende, seine Geschichte; auf den
Portico de la Gloria, auf das große schwingende Rauchfaß, den Orgelklang der
„Spanischen Trompeten“; auf den Codex Calixtinus in der Bibliothek der
Kathedrale, die Silberbüste des Jakobus über dem Hochaltar, den
Reliquienschrein in der Krypta.
    Ich muß auch noch einmal von
der so eindrucksvollen Stadt Santiago sprechen, deren romanische Substanz sich
hinter und unter den barocken Fassaden und Aufbauten so bescheiden verbirgt,
aber doch deutlich verweist auf karolingische und nachkarolingische Zeit, auf
die Bauten der Stauferzeit mit ihren reichs- und kirchenpolitischen Ambitionen.
All das findet man in Santiago wieder.
     
    Von Santiago fahren wir zum Kap
Finisterre — finis terrae — Ende der Welt. Die Fahrt führt uns vorbei an der
Küste des Atlantik, an Buchten, Fischerdörfern, Badestränden und Felsklippen,
bis zu einer hochaufragenden kleinen Landzunge mit einem Leuchtturm und einer
großartigen Aussicht. Man muß sich klarmachen: Vor der Überquerung des Atlantik
war für die Europäer hier wirklich die Welt zu Ende! Der Blick von der Höhe des
Cabo Finisterre geht über eine Wasserwüste von so gewaltiger Ausdehnung, daß
man die Krümmung der Erdoberfläche sieht... nur wenige Schiffe sind
auszumachen, die sich mit unendlicher Langsamkeit durch die glänzenden Fluten
bewegen. Da kann man nur schauen und staunen und den Eindruck des Gewaltigen,
schier Grenzenlosen in sich aufnehmen. Ich begreife: auch dieser Eindruck
gehört zu Galicien, zum Land des Santiago.
    Domke schließt sein Buch
„Spaniens Norden“ mit einer Hymne: „Dies also das Land, das die Pilger aus
allen Winkeln Europas als letzte Station ihrer Reise ohnegleichen besuchten.
Galicia am Rande der bewohnbaren Welt. Damals. In jenem Zeitalter der Sage, als
für den Menschen das Mehr-als-Wirkliche keine Utopie, sondern eine Steigerung
der Wirklichkeit von so großer Anziehungskraft bedeutete, daß er Tausende von
Kilometern unter die Füße nahm, um sich ihr zu stellen. Der Mensch und das
Überwirkliche. Der Mensch und die Unendlichkeit. Der Mensch und das Jenseits.
Was alles dasselbe und, in die Außenwelt übertragen, ein Gleichnis der gesamten
Santiago-Fahrt ist…“ 26
    Der Mensch und die
Unendlichkeit — diesen Gegensatz und diese Einheit erleben wir in Finisterre,
angesichts des Ozeans, der gleißt und glimmert, der sich krümmt und bewegt wie
ein großer Leib, der uns an unendliche Fernen denken läßt, hinter denen „etwas
ist“.
    Hier müßte man bleiben, hier
müßte man Rätsel zu lösen versuchen, hier müßte man die sagenhafte Ankunft des
Jakobus meditieren... Finisterre ist ein Erlebnis, bleibt ein Rätsel, reizt zu
neuer Begegnung.
    Die Heimreise verläuft entlang
der nördlichen Atlantikküste Spaniens und berührt viele der wundervollen
„Rias“: Wir sehen die tief in das Land eingeschnittenen Buchten mit
verlockenden Sandstränden und malerischen Fischerhäfen. In Luarca genießen wir
den köstlichen Seefisch und das Farbenspiel der bunten Boote unter blauem
Himmel mit weißen Wolken. Die Luft ist frisch, trotz der Sonne, und salzig vom
Meer.
    Nach Oviedo verbringen wir die
vorletzte Nacht unserer Reise in San Sebastián, der feudalen Hafen- und
Badestadt am Golf von Biscaya.
    Von Pilgergeist ist hier nicht
mehr viel zu spüren. An der weitausladenden „Concha“,
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