Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition)
Autoren: Marcel von Treppen
Vom Netzwerk:
feucht-fröhlichen Verlauf und ich war bemüht, nichts Falsches zu sagen. Der Alkohol erschwerte die Kontrolle und mein Bedürfnis über unsere Gesellschaft herzuziehen, wuchs. Ich erlaubte mir dosierte Frechheiten, immer bemüht, weniger ketzerisch und aufrührerisch als meine Freunde zu bleiben. Peter und Paul suchten sexuelle Freizügigkeit, politisch war Peter der Rebellischere, und wenn ich ihm auch eine gewisse Vorsicht unterstellte, so war er eigentlich ein Fall für die klerikale Staatssicherheit. Aber vielleicht war er nur ein Agent provokateur, der Abtrünnige wie mich zu überführen suchte. Hier konnte man keinen Freunden trauen, die man mehr als zehn Jahre kannte. Peter und Paul kannte ich seit etwa sechs Monaten, seitdem ich mich in der Gegend von Athens aufhielt. Sie wussten, dass ich Lehrer für Vorgeschichte war, fragten aber nie danach, warum ich meinen Job verloren hatte. Zu welcher Seite gehörten sie? Oder waren sie einfach Jungs, die ein bisschen Spaß suchten und zu viel Fragen stellten, die nicht der gewünschten Norm der Fragen entsprach, dessen Antworten das Fundament unserer Gesellschaft bildeten. In meiner Vorstellung baute sich oft das Bild mehrerer subversiver Ebenen auf. Es gab die hedonistische Ebene, die in bestimmten Rahmen von den Staatswächtern geduldet wurde. Ich meinte damit Dinge wie Alkohol, Sex und streng genommen auch Dinge wie Cannabis, alles subversiv, aber gleichsam ein Ventil, um zu betäuben, um abzulenken. Wenn ich meine kriminellen Energien dafür einsetzen musste, um Spaß zu finden, blieb für andersgearteten Widerstand kein Raum. Die ketzerische Ebene: der ketzerische Gedanke war an sich harmlos, die abschreckenden Mechanismen der theokratischen Gesellschaft bewirkten, das er nie geäußert wurde. Die Gesellschaft konnte gut auf Scheinheiligkeit basieren.
    Mir kam es sogar so vor, dass sie eine notwendige Voraussetzung für ihr Bestehen war. Zugegeben, eine Spur scheinheiliger hätte unser Land schon sein können. Ketzer, die sich ketzerisch äußerten, lebten gefährlich, wenn ihr Tun sich auch etwas relativierte, wenn sie sich berauscht äußerten. Und dann gab es die Ebene des Untergrunds, aber niemand von uns wusste, ob es den Untergrund gab. Anschläge passierten in New Avignon vielleicht alle zehn Jahre einmal und niemand erfuhr jemals etwas über die wahren Hintergründe. Und alles in allem waren zehn Jahre eine lange Zeit, in der sich ein Untergrund beliebig oft gründen und auflösen konnte. Die Attentate konnten die verschiedensten Hintergründe haben, politische Rivalitäten, womöglich New Havanna oder ein irgendwie geistig gestörter Hintergrund. Ich war ein Ketzer, der hin und wieder gerne seine Gedanken äußerte, bemühte mich aber immer, vorsichtig zu bleiben. Jeder hatte wohl ein Bedürfnis, einen Teil seiner Gedanken zu äußern. Ich würde mich nie und niemals einem irgendwie gearteten Untergrund anschließen. Dafür war ich viel zu feige, und ich sah auch nirgends eine Chance auf Erfolg. Obgleich es auch für mich äußerst reizvoll gewesen wäre, unter ähnlich Gesinnten meine Gedanken zu äußern, war der Preis dafür viel zu hoch. Hier mit Freund Alkohol hin und wieder die ketzerische Ader herauszulassen war weit weniger gefährlich. Und eins war mir klar, eine attraktive Frau, mit der ich mich freizügig ausleben konnte, die ich malen und fotografieren konnte, die alle ihre Verführungstricks für mich reservierte, eine Priesterin des Sexes, würde mich alle umstürzlerischen Gedanken vergessen lassen. Als Paola mich ritt, ich abwechselnd in ihr lächelndes Gesicht und auf die sich bewegenden großen Brüste schaute, hätte ich heraus gestöhnt, dass ich an die Allmacht Gottes glaube, an alle Engel und Wunder, aber Paola war Mitglied einer atheistischen Gesellschaft, sodass ein ausgestoßenes Glaubensbekenntnis beim Orgasmus unnötig war. Für geilen Sex hätte ich meine Seele verkauft, wenn ich denn eine gehabt hätte.
    Wir vertrieben uns die Zeit mit Spielchen, Paul spielte gern und gut ein 9x9 Go. Eine kurzweilige Abwechslung, bei der wir ohne Vorgaben gegen ihn keine Chance hatten. Kartenspiele, Würfelspiele, Brettspiele; so musste das früher auch auf der Erde gewesen sein. Seltsamerweise waren Glücksspiele nicht verboten. Und so spielten wir um Runden und es schien so, dass von Runde zu Runde das Gesicht von Margarete freundlicher wurde. Ich bedauerte, dass sie keinen Ausschnitt trug, niemand außer Messdienerinnen durfte einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher