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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
Autoren: Lydia Benecke
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Karriereoptionen, die Aussicht auf Ansehen, Macht und Geld. Zweitens fordert Jura vor allem das logische, abstrakte Denken sowie das Erkennen und Anwenden von Regeln, also von »psychopathischen Gehirnen« stark benutzte Hirnbereiche. Drittens haben Studenten in diesem Studienfach mit Verbrechen zu tun. Besonders die Beschäftigung mit schweren Verbrechen bietet aber viel Abwechslung, ist also ein gutes Mittel gegen Langeweile. Und Psychopathen hassen schließlich kaum etwas mehr als Langeweile.
    Natürlich gibt es auf der ganzen Welt Jurastudenten. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei derartig ähnliche Psychopathen-Exemplare sich ausgerechnet an einer Fakultät begegnen, nicht besonders groß. Doch sie ist in diesem Studienfach auf jeden Fall größer als in anderen. Bevor ich nun unter einer Flut von wütenden Protestbriefen ersticke: Nein, ich behaupte nicht, dass Juristen grundsätzlich Psychopathen sind.
    In beiden Fällen ist weiterhin interessant, dass es sich um ein Täter-Duo handelte. Dies überrascht allerdings nicht weiter, wenn man an ihre Persönlichkeiten denkt: Schon bevor sie sich kennenlernten, hatten diese Täter ein psychopathisch übersteigertes Selbstwertgefühl. Dieses putschten sie nun gegenseitig immer weiter hoch, bis zu einem selbst für Psychopathen ungewöhnlichen Größenwahn. Ihre Taten waren der Versuch, diesen gemeinsamen Größenwahn Wirklichkeit werden zu lassen. Insofern ist es unwahrscheinlich, dass jemand von ihnen einzeln eine solche Tat begangen hätte.
    Dies zeigen auch die weiteren Lebensgeschichten zumindest dreier der vier »Teufelsadvokaten«. Ferraro und Scattone nutzten ihre juristischen Fähigkeiten, um den gegen sie eröffneten Indizienprozess so gut zu ihren Gunsten zu beeinflussen wie nur möglich. Sechs Jahre zog sich der Prozess schließlich hin. Die Zeugenaussagen wurden immer widersprüchlicher. Am Ende standen die Richter vor einem einzigen Chaos. Nur aufgrund des großen öffentlichen Drucks, die beiden Angeklagten nicht straffrei davonkommen zu lassen, erging schließlich 2003 ein Urteil: Giovanni Scattone und Salvatore Ferraro wurden wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
    Angesichts des einzigen in Frage kommenden Motivs – einen heimtückischen perfekten Mord zu begehen – ist dieses Urteil zutiefst absurd. Doch im Vergleich zur wahrscheinlichen Alternative – einem Freispruch – war es für die Richter das »kleinere Übel«. Als mutmaßlicher Schütze wurde Scattone zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt, sein Freund Ferraro bekam etwas weniger als sechs Jahre. Da sie einen Großteil der Haftzeit bereits während des Prozesses abgesessen hatten, waren beide bald darauf wieder freie Männer. Bis heute – zehn Jahre später – ist keiner von beiden mehr mit einer Straftat aufgefallen.
    Ebenso verbrachte auch Nathan Leopold, der seinen Freund und Komplizen Richard durch einen Mord im Gefängnis verloren hatte, seine letzten dreizehn Lebensjahre in Freiheit. Nach 33 Jahren in Haft wurde er 54-jährig auf Bewährung entlassen. Er zog nach Puerto Rico, wo er eine Witwe heiratete und in einem Krankenhaus als Labor- und Röntgenassistent arbeitete. Er wurde Mitglied der »Naturhistorischen Gesellschaft« seiner neuen Heimatstadt, ging wieder seiner alten Leidenschaft, der Vogelkunde, nach und veröffentlichte ein Handbuch der Vögel auf Puerto Rico und benachbarten Inseln. Mit 66 Jahren starb er an einem Herzinfarkt.
Feuer aus Hass, Liebe und Angst in einem Herz aus Eis
– Eine Gefühlsalarmanlage außer Kontrolle
    Auf den ersten Blick ebenso kaltblütig wie die »Teufelsadvokaten« wurde der Mafia-Serienmörder Richard Kuklinski zum Täter. Über zweihundert Menschen – er räumte nur Morde an Männern ein, da er Morde an Frauen und Kindern als »unangemessen« empfand – tötete der »Eismann«. In späteren Interviews während seiner Haft sagte Kuklinski, es hätte ihn selbst erstaunt, dass er niemals Angst oder Mitleid oder Entsetzen empfunden habe. Selbst dann nicht, wenn er seine Opfer auf grauenvolle Art tötete – sie beispielsweise lebendig an Wildratten verfütterte – oder wenn seine Opfer eigentlich Freunde waren, die zum Risiko geworden waren.
    Einem Buchautor, mit dem er später im Gefängnis sprach, sagte er, er habe sich einige Male selbst gedrehte Videos angeschaut, auf denen er Menschen qualvoll an Ratten verfütterte. Dabei habe er über sich nachgedacht: »Ich begann mich zu fragen: Warum berührt mich all dies nicht?
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