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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
Autoren: Lydia Benecke
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dass sie auffällig oft Beziehungen mit Frauen geführt haben, die eine solche Persönlichkeitsstörung hatten.
    Meine Interviewpartner erzählten, dass sie die heftigen Gefühlsschwankungen von Borderlinerinnen einerseits besser aushalten als viele andere Menschen. Außerdem scheinen sie selbst gewissermaßen von diesen Gefühlsausbrüchen fasziniert zu sein, weil sie selbst kaum mehr etwas fühlen. Inzwischen denke ich, dass es noch mindestens einen weiteren Grund dafür gibt, warum sich zumindest einige auffällig psychopathische Männer zu Borderlinerinnen hingezogen fühlen: Beide haben düsterere und stärker ausgeprägte »Schatten« als viele andere Menschen.
    Mit diesem Hintergrundwissen sah ich nun die zweite Staffel der Serie, in der Dexter einer Frau namens Lila begegnet. Lila ist ihm in einigen Bereichen verblüffend ähnlich. Eines Abends, sie haben sich gerade zufällig in einer Selbsthilfegruppe kennengelernt, beschreibt Lila Dexter, was ein Mensch empfindet, der einen solchen besonders ausgeprägten »Schatten« in sich trägt. Sie sucht allerdings nach einer treffenden Bezeichnung. Dexter versteht sofort, was sie meint. Er hat seine eigene Umschreibung für diese Persönlichkeitsanteile: »Der dunkle Mitreisende« . Der »dunkle Mitreisende« – im Original »the dark passenger« – ist es, der Dexter immer wieder zum Töten drängt. Er repräsentiert all jene Bedürfnisse, welche Dexters Vernunft lieber nicht ausleben möchte.
    Im weiteren Verlauf der Staffel wird klar – auch wenn es an keiner Stelle so deutlich ausgesprochen wird –, dass Lila an einer »Mischform« aus zwei Persönlichkeitsstörungen leidet: Sie hat viele »psychopathische Anteile«, doch gleichzeitig hat sie auch eine »Borderline-Störung«. Das bedeutet, dass sie in vielen Situationen sehr genau plant, was ihr Verhalten in anderen Menschen bewirken wird; dass sie sehr gut einschätzen kann, was in anderen vorgeht; dass sie sehr gelassen und extrem vernünftig wirken kann. Dieser Zustand kann aber komplett »kippen«, wenn bei ihr heftige Gefühle ausgelöst werden – vor allem wenn sie fürchtet, von einem ihr sehr wichtigen Menschen verlassen zu werden.
    Wer immer sich diese Serienfigur ausgedacht hat – es muss jemand mit sehr guten Kenntnissen in Psychologie gewesen sein. Denn eine solche »Mischform« zwischen Borderlinern und Psychopathen gibt es tatsächlich. Sie wird jedoch oft nicht erkannt. Die sadistischen psychopathischen Serienmörder Jeffrey Dahmer, Ted Bundy und John Wayne Gacy hatten allesamt auch einige typische Borderliner-Eigenschaften, wie sie beispielsweise Valeska Vitt-Mugg in ihrer als Buch herausgegebenen, sehr lesenswerten Doktorarbeit zum Thema »Sexuell sadistische Serientäter« beschreibt.
Ein Blick zurück auf unterschiedliche Schatten
    Vielleicht haben Sie während unserer gemeinsamen Reise auf dem dünnen Eis mitunter Blicke auf Ihren eigenen »Schatten« erhascht. An Eigenschaften gedacht, die Sie mit typisch psychopathischen Menschen gemeinsam haben. An Entscheidungen, die – wenn Sie ganz ehrlich zu sich selbst sind – streng genommen egoistisch sind. Doch damit sind Sie von psychopathischen Tätern immer noch Welten entfernt: von Männern wie Richard »The Iceman« Kuklinski, Rodney »Der Traumprinz« Alcala, den Mördern in den Fällen Marta Russo und Robert Franks oder auch dem als »Maskenmann« bekannt gewordenen Serienmörder in deutschen Schullandheimen. Dies liegt vor allem daran, dass solche stark ausgeprägte psychopathischen Menschen einen besonders düsteren »Schatten« in sich tragen, der besonders drängende Bedürfnisse repräsentiert, und dass sie diese Bedürfnisse besonders skrupellos befriedigen.
Sag mir, was du dir am meisten wünschst …
– Dann sage ich dir, wer du bist.
    Nathan Leopold und Richard Loeb, die »Advokaten des Teufels« aus den USA, waren in ihren Persönlichkeiten den italienischen »Kollegen« Ferraro und Scattone sehr ähnlich – obwohl sie zu verschiedenen Zeiten auf verschiedenen Kontinenten lebten. Psychopathen und gefährliche Sadisten gab es schon immer und wird es so lange geben, wie es Menschen gibt. Daher irrte der Anwalt der beiden jungen Täter aus den USA, als er in seinem Abschlussplädoyer meinte, ihre Tat sei vollkommen einzigartig.
    Auffallend auch, dass alle vier Täter das gleiche Fach studierten. Aber Jura ist, aus »psychopathischer Sicht«, keine abwegige Studienwahl. Erstens eröffnet es einem guten Studenten glänzende
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