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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
Autoren: Lydia Benecke
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die anderen über diesen Nachbarn denken. »Das sind solche Menschen, von denen sie später sagen: ›Das hätte ich niemals von ihm gedacht.‹ Oder: ›Der war immer so nett und hat sich in die Nachbarschaft eingebracht.‹ Oder: ›Er hat sogar die Tombola organisiert.‹ Etwas in der Art.« Und wie würde der Schriftsteller den Charakter dieses Psychopathen anlegen? »Es würde sofort klar werden«, so Heitz, »dass ihm die Menschen gleichgültig sind, dass er keinerlei Empathie hat und er Emotionen vorspielt, was er in Perfektion beherrscht.« Also ein recht intelligenter Zeitgenosse? Heitz bejaht: »Er wäre manipulativ, um an sein Ziel zu gelangen, er würde ein Netz aus Nettigkeiten flechten, Fallen aus Verpflichtungen für andere aufstellen und sie gnadenlos zum Erreichen seiner Pläne einsetzen.« Diese Intelligenz paart sich jedoch mit erheblicher Rücksichtslosigkeit: »Er würde mit Lügen arbeiten und sich immer im Recht sehen, was ihn in die Lage versetzt, alles zu tun, ohne dabei Skrupel zu entwickeln. Die anderen sind ihm im Weg – oder Erfüllungsinstrumente.«
Beängstigend normale Menschen
    Als ich Markus Heitz frage, was ihn im wirklichen Leben auf den Gedanken bringen würde, jemand könnte ein Psychopath sein, sagt er: »Je auffälliger sich jemand benimmt, in Art, Kleidung, Ausdrucksweise, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er in diese Gruppe gehört. Das wäre meine laienhafte Einschätzung.« Dann erzählt er von zwei Bekannten, von denen er im Nachhinein den Eindruck hatte, sie könnten Psychopathen gewesen sein: »Anfangs waren es tatsächlich scheinbar normale Menschen, die sich jedoch extrem freundlich und einschmeichelnd gaben, die mit Druck Nähe suchten, sich unentwegt und ungefragt meldeten, nachhakten, viel in Eigeninitiative in die Wege leiteten und danach Lob dafür haben wollten – ohne dass man sie darum gebeten hätte.« Als ihre Maskerade aufflog, änderte sich ihr Auftreten von Grund auf: »Sie zogen sich in Behauptungen und Argumentationen zurück, die nur für sie selbst schlüssig waren und Sinn ergaben. Diese Personen leben in ihrer eigenen Wahrheitswelt und schirmen andere Meinungen und sogar Fakten gegen diese Welt ab, sodass sie immer recht haben und die anderen immer die Bösen sind.« Sein Fazit: »Es ist unglaublich faszinierend, solche Menschen zu beobachten. Es ist unglaublich nervend, an solche Menschen zu geraten.«
Herz aus Eis
    Was muss in einem Menschen vorgehen, der mehr als zweihundert Menschen tötet, mit sportlicher Gelassenheit, wie ein Jäger das zum Abschuss freigegebene Wild? Richard Leonard Kuklinski, genannt »Der Eismann«, war fast vierzig Jahre lang »Menschenjäger« von Beruf. Seinen ersten, ungeplanten Mord – an dem Anführer einer kleinen Bande – beging er 1948, als er dreizehn Jahre alt war. Danach begann er, gezielt zum eigenen Vergnügen zu töten und seine »Fähigkeiten« darin immer weiter zu verfeinern. Er erschlug, erstach und erschoss Männer in der West Side von Manhattan. Besonders gefiel ihm daran »die Jagd und die Herausforderung«. Auf sein »Naturtalent zum Töten« wurde bald die New Yorker Mafia aufmerksam.
    Fortan verband Kuklinski für sich das »Angenehme« mit dem »Nützlichen«: Er tötete im Auftrag der Mafia und wurde dadurch ein wohlhabender Mann. Seine Frau Barbara, zwei Töchter und ein Sohn lebten mit ihm in einem wohlhabenden Vorort von Dumont, New Jersey. Kuklinski behauptete auch ihnen gegenüber, er sei Geschäftsmann – was noch nicht einmal völlig gelogen war. Er war wie geschaffen für das »Geschäft mit dem Tod«. Obwohl er zu unterschiedlichsten Tages- und Nachtzeiten zur »Arbeit« ging, wagte es die Familie nicht, ihm Fragen zu stellen, denn Kuklinski richtete sein aufbrausendes, gewalttätiges Temperament nicht selten auch gegen seine Frau und seine Kinder. Dennoch waren sie die einzigen Menschen, von denen »Der Eismann« sagte, er habe sie geliebt.
Der Psychopath in jedem von uns?
    Da Sie im Begriff sind, dieses Buch zu lesen, wollen Sie etwas über die »Psychologie des Bösen« erfahren. Steckt dahinter nur das Interesse, die Welt und ihre Verbrechen besser zu verstehen? Oder schwingt auch tief in Ihrem Inneren eine Faszination für das Böse mit? Eine Faszination, die über rein sachliches Interesse hinausgeht? Diese Frage warf auch Markus Heitz auf, als er mir seine Sichtweise auf Psychopathen eröffnete: »Sollte es nicht ein wenig verstörend sein, wenn man bedenkt, wie viele
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