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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend
Autoren: Ernst Jünger
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unverhohlen lebte in ihm das Ergötzen, daß es den Schreibern, Versemachern und Philosophen der Marina nun ans Leder ging. Auch war ihm, wie der alte Bildungsduft, der Wein und seine Geistig- keit verhaßt. Er liebte die schweren Biere, die man in Britannien und den Niederlanden braut, und sah das Volk an der Marina als Schneckenfresser an. So war er ein wilder Stößer und Zecher und glaubte felsenfest, daß jeder Zweifel auf dieser Erde durch rechtes Einhaun zu entscheiden sei. Auf diese Weise besaß er Ähnlichkeit mit Braquemart — doch war er insofern viel gesünder, als er die Theorie ver- achtete. Wir schätzten ihn ob seiner Unbefangen- heit und seines guten Appetites, denn wenn er auch an der Marina fehl am Platze war, so darf man doch den Bock nicht tadeln, den man zum Gärtner macht.
     Zum Glück gehörte Biedenhorn zu denen, wel- chen der Frühtrunk die Erinnerung belebt. So brauchten wir ihn nicht an jene Stunde vor den Pässen zu gemahnen, in der er mit seinen Kürassie- ren ins Gedränge geraten war. Dort war er zu Fall gekommen, und wir sahen die freien Bauern von Alta Plana schon beschäftigt, ihm den Panzer auf- zumeißeln — so wie man beim Prunkmahl einem Hummer, den die Kunst des Koches vergoldete, die Schale bricht. Schon kitzelte der Fugenstecher ihn am Halse, da schafften wir ihm und seinen Söld- nern mit den Purpur-Reitern wieder Luft. Dies war die Diversion, bei welcher der junge Ansgar uns in die Hand gefallen war. Auch kannte uns Bieden- horn aus unseren Mauretanier-Zeiten, und so kam es, daß er sich, als wir ihn um ein Schiff ersuchten, nicht lumpen ließ. Gilt doch die Stunde der Kata- strophe als die Stunde der Mauretanier. Er stellte uns die Brigantine zur Verfügung, die er im Hafen hielt, und teilte uns zum Geleite eine Gruppe von Söldnern zu.
     Die Straßen, die zum Hafen führten, waren von Flüchtlingen erfüllt. Doch schien es, daß nicht alle die Stadt verlassen wollten, denn wir sahen aus den Ruinen der Tempel bereits den Rauch von Opfern steigen, und aus den Trümmern der Kirchen hörten wir Gesang. In der Kapelle der Sagrada Familia dicht am Hafen war die Orgel verschont geblieben, und mächtig führten ihre Klänge das Lied, das die Gemeinde sang:
    „Fürsten sind Menschen, vom Weib geboren,
    Und kehren um zu ihrem Staub;
    Ihre Anschläge sind auch verloren,
    Wenn nun das Grab nimmt seinen Raub.
    Weil denn kein Mensch uns helfen kann,
    Rufen wir Gott um Hülfe an.”
    Am Hafen drängte sich das Volk, das mit den Resten seiner Habe beladen war. Doch waren die
    Schiffe nach Burgund und Alta Plana schon über- füllt, und jeden der Segler, den die Knechte mit ihren Stangen vom Kai abstießen, verfolgte ein lau- tes Wehgeschrei. Inmitten dieses Elends schaukelte, wie unter Tabu, die Brigantine Biedenhorns an der Dückdalbe, die schwarz-rot-schwarz gezeichnet war. Sie glänzte in dunkelblauem Lack und kupfernen Beschlägen, und als ich Order zur Abfahrt gab, zo- gen die Knechte die Persenning von den roten Leder- polstern der Ruhebänke fort. Indes die Söldner mit ihren Piken die Menge in Achtung hielten, gelang es uns, noch Frauen und Kinder aufzunehmen, bis unser Deck kaum eine Handbreit über Wasser schwamm. Dann ruderten die Knechte uns aus dem Hafenbecken, das in die Mauer eingeschlossen war, und draußen erfaßte uns sogleich ein frischer Wind und trieb uns auf die Berge von Alta Plana zu.
     Noch lag das Wasser in der Morgenkühle, und die Wirbel zogen auf seinem Spiegel Schlieren wie auf grünem Glas. Doch schob sich schon die Sonne über die Zacken der Schnee-Gebirge vor, und blendend tauchten die Marmor-Klippen aus dem Dunste der Niederungen auf. Wir blickten auf sie zurück und ließen die Hände im Wasser streifen, das sich im Sonnenlichte ins Blaue wandte, als drängen Schatten in seine Tiefe ein.
     Auch hielten wir die Amphore in guter Hut. Noch kannten wir nicht das Schicksal dieses Hauptes, das wir mit uns führten, und das wir den Christen überlieferten, als sie den großen Dom an der Ma- rina aus seinen Trümmern errichteten. Sie fügten es in seinem Grundstein ein.
     Doch vorher, im Pallas der Stammburg der Sun- myras, sprach Bruder Otho es im Eburnum an.

                           30.
    Die Männer von Alta Plana waren an den Marken aufgezogen, als die Feuersbrunst den Himmel zeichnete. So kam es, daß wir den jungen Ansgar schon vor der Landung am Ufer sahen; und freudig winkte er uns zu.
     Wir rasteten ein wenig bei seinen
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