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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend
Autoren: Ernst Jünger
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helles Leuchten auf, und blitzend schossen die Lan- zen-Ottern aus ihren Schrunden vor. Sie glitten durch die Beete wie blanke Peitschen-Schnüre, un- ter deren Schwunge ein Wirbel von Blütenblättern sich erhob. Dann stellten sie, am Boden einen gol- denen Kreis beschreibend, sich langsam bis zur Manneshöhe auf. So wiegten sie das Haupt in schweren Pendelschlägen, und ihre zum Angriff vor- gestellten Fänge blinkten tödlich wie Sonden aus gekrümmtem Glase auf. Zu diesem Tanze durch- schnitt ein leises Zischen, als ob sich Stahl in Wasser kühlte, die Luft; auch stieg ein feines, hörnernes Klappern, wie von den Kastagnetten maurischer Tänzerinnen, von der Fassung der Beete auf.
     In diesem Reigen stand das Waldgelichter vor Schreck versteinert, und die Augen quollen ihm aus den Höhlen vor. Am höchsten war die Greifin auf- gerichtet; sie wiegte sich mit lichtem Schilde vor Chiffon Rouge und kreiste ihn wie spielend mit den Figuren ihrer Serpentinen ein. Das Untier folgte den Schwüngen ihrer tänzerischen Windung bebend und mit gesträubtem Fell — dann schien die Greifin es ganz leicht am Ohr zu streifen, und vom Todes- krampf geschüttelt, die Zunge sich zerbeißend, wälzte der Bluthund sich im Lilienflor.
     Das war das Zeichen für die Schar der Tänzerin- nen, die sich mit goldenen Ringen auf ihre Beute warf, so dicht verflochten, daß nur ein Schuppen- leib die Männer und die Hunde zu umwinden schien. Auch schien es nur ein Todesschrei, der diesem prallen Netz entstieg, und den die schnürend feine Kraft des Giftes sogleich erdrosselte. Dann löste sich die blinkende Verflechtung, und die Schlangen zo- gen in ruhiger Windung wieder in ihre Klüfte ein.
     Inmitten der Beete, die nun dunkle und vom Gift geblähte Kadaver deckten, hob ich den Blick zu Erio. Ich sah den Knaben mit Lampusa, die ihn stolz und zärtlich führte, in die Küche treten, und lächelnd winkte er zurück, indes das Felsentor sich knarrend hinter ihnen schloß. Da spürte ich, daß das Blut mir leichter in den Adern kreiste, und daß der Bann, der mich ergriffen hatte, gewichen war. Auch konnte ich die Rechte wieder frei bewegen, und eilig trat ich, da mich um Bruder Otho bangte, in die Rauten-Klause ein.

                           28.
    Als ich die Bibliothek durchschritt, fand ich die Bücher und die Pergamente in strenger Ord- nung, wie man sie schafft, wenn man auf eine lange Reise geht. Die runde Tafel in der Halle trug die Laren-Bilder — sie waren mit Blumen, Wein und Opferspeise wohl versehen. Auch dieser Raum war festlich hergerichtet und strahlend von den hohen Kerzen des Ritters Deodat erhellt. Ich fühlte mich in ihm so heimisch, als ich ihn feierlich gerüstet fand. Indem ich so sein Werk betrachtete, trat Bruder Otho oben aus dem Herbarium, dessen Türe er weit geöffnet ließ. Wir fielen uns in die Arme und teilten uns, wie einstmals in den Pausen des Gefechtes, un- sere Abenteuer mit. Als ich erzählte, wie ich den jungen Fürsten angetroffen hatte, und meine Beute aus der Ledertasche zog, sah ich Bruder Othos Ant- litz erstarren — dann, mit den Tränen, zog ein wun- dersames Leuchten in ihm auf. Wir wuschen mit dem Wein, der bei den Opferspeisen stand, das Haupt vom Blut und Todesschweiße rein, dann betteten wir es in eine der großen Duft-Amphoren, in der die Blätter von weißen Lilien und Schiras- Rosen welkten, ein.
     Nun füllte Bruder Otho zwei Pokale mit dem alten Weine, die wir, nachdem wir die Libation vergossen hatten, leerten und dann am Sockel des Kamins zerschmetterten. So feierten wir Abschied von der Rauten-Klause, und mit Trauer verließen wir das Haus, das unserem Geistesleben und unserer Bruder- schaft zum warmen Kleide geworden war. Doch müssen wir ja von jeder Stätte weichen, die uns auf Erden Herberge gab.
     So eilten wir, unser Gut verlassend, durch die Gartenpforte dem Hafen zu. Ich hielt in beiden Ar- men die Amphore, und Bruder Otho hatte den Spiegel und die Leuchte an seiner Brust verwahrt. Als wir die Biegung erreichten, an welcher der Pfad sich in den Hügeln zum Kloster der Falcifera ver- liert, verweilten wir noch einmal und blickten auf unser Haus zurück. Wir sahen es im Schatten der Marmor-Klippen liegen, mit seinen weißen Mauern und dem breiten Schieferdache, auf dem sich matt der Schimmer der fernen Feuer spiegelte. Gleich dunklen Bändern zogen sich um die hellen Wände die Terrasse und der Altan. So baut man in den schönen Tälern, in denen unser
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