Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
als Mrs. Broadwith mit einer Tasse Tee ins Zimmer kam und die restlichen Tiere aus der Küche befreit wurden. Da waren Ben, ein Sealyham Terrier, und Sally, ein Cocker Spaniel, die sogleich mit Prince zu einem ohrenbetäubenden Wettbellen anhoben. Dicht darauf folgten die Katzen Arthur und Susie, die majestätisch herangeschritten kamen und sich an meinem Hosenbein rieben.
    Dies war das altgewohnte Szenario, das ich bereits von so vielen Tassen Tee her kannte, die ich bei Miss Stubbs getrunken hatte. Und immer lag die alte Dame unter dem kleinen Pappschild, das an der Wand baumelte.
    »Wie geht es Ihnen denn so?« fragte ich.
    »Oh, schon viel besser«, antwortete sie und wechselte, wie üblich, umgehend das Thema. Am liebsten sprach sie über ihre Haustiere und all jene, die sie gekannt hatte, als sie noch ein junges Mädchen war. Außerdem erinnerte sie sich an die Zeit, da ihre Familie noch lebte. Es bereitete ihr große Freude, die Eskapaden ihrer drei Brüder zu schildern, und heute zeigte sie mir ein Foto, das Mrs. Broadwith zuunterst in einer Schublade gefunden hatte.
    Ich nahm es in die Hand, und drei junge Männer in Kniebundhosen und den kleinen runden Kappen aus den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts lächelten mir von der vergilbten Fotografie entgegen; sie hielten alle lange tönerne Tabakspfeifen in der Hand, und ihr verwegener Humor hatte sich ihren Mienen unverbrüchlich eingegraben.
    »Meine Güte, sind das aber pfiffige Burschen, Miss Stubbs«, sagte ich.
    »Oh, das waren junge Taugenichtse!« rief sie aus. Sie warf den Kopf zurück und lachte, und für einen Augenblick erstrahlte ihr Gesicht, von Erinnerungen verklärt.
    Die Geschichten, die ich im Dorf aufgeschnappt hatte, fielen mir wieder ein; über den wohlhabenden Vater und seine Familie, die vor vielen Jahren in einem großen Haus gelebt hatten. Dann die fehlgeschlagenen Auslandsinvestitionen und der jähe Wandel der Lebenssituation. »Als der Alte starb, war er praktisch pleite«, hatte ein älterer Dorfbewohner erzählt. »Nicht mehr viel Kohle übrig.«
    Wahrscheinlich gerade genug Kohle, um Miss Stubbs und ihre Tiere zu ernähren und Mrs. Broadwith bezahlen zu können. Nicht genug, um den Garten pflegen oder das Haus streichen zu lassen oder für den sonstigen alltäglichen Luxus.
    Und während ich dort saß und meinen Tee trank – die Hunde neben dem Bett aufgereiht, die Katzen obenauf behaglich hingestreckt – beschlich mich ein Gefühl, das mir hier schon häufiger begegnet war: eine gewisse Beklemmung angesichts der enormen Verantwortung, die ich trug. Das einzige, was das Leben dieser tapferen alten Dame ein wenig aufhellte, war die offensichtliche Zuneigung dieser wolligen Bande, deren Blicke sich nie weit von ihrem Gesicht entfernten. Und der Haken bei der Sache: Sie waren allesamt nicht mehr die Jüngsten.
    Ursprünglich waren da sogar vier Hunde gewesen, doch einer von ihnen, ein wahrscheinlich uralter gelber Labrador, war ein paar Monate zuvor gestorben. Und nun hatte ich mich um den Rest zu kümmern, von dem keiner jünger als zehn Jahre war.
    Sie waren noch recht munter, zeigten jedoch auch alle das eine oder andere Anzeichen von Altersschwäche. Prince hatte es mit dem Herzen, Sally trank in letzter Zeit so viel Wasser, daß ich mich fragte, ob ihre Nieren noch richtig arbeiteten, und Ben verlor aufgrund seiner Nierenentzündung immer mehr an Gewicht. Neue Nieren konnte ich ihm nicht geben, und von den Tabletten, die ich ihm verschrieb, versprach ich mir nicht allzuviel.
    Was mir bei Ben außerdem auffiel, war das rasante Wachstum seiner Krallen, die ich immerfort schneiden mußte.
    Die Katzen waren noch besser in Form, obwohl Susie ein wenig mager aussah – immer wieder knetete ich ihren pelzigen Unterleib, um Anzeichen eines Lymphosarkoms zu entdecken. Arthur war noch vollkommen fit; er schien für gar nichts anfällig zu sein außer der Neigung, Zahnstein zu entwickeln.
    An letzteres dachte Miss Stubbs wohl gerade, denn als ich meinen Tee ausgetrunken hatte, bat sie mich, einen Blick auf Arthur zu werfen. Ich hievte ihn auf die Überdecke und schaute ihm ins Maul.
    »Ja, das übliche Problem. Wo ich schon mal hier bin, kann ich das Bißchen auch gleich beseitigen.«
    Arthur war ein riesiger, grauer, kastrierter Kater, ein lebender Gegenbeweis all jener Theorien, die besagen, daß Katzen kalt, selbstsüchtig und was sonst noch alles sind. Seine schönen Augen in dem breitesten Katzengesicht, das ich je gesehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher