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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen
Autoren: James Herriot
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seit so vielen Jahren ihre Welt darstellte.
    Das Zimmer lag im Erdgeschoß, an der Vorderseite des Cottage, und als ich mich durch die Wildnis, die einmal ein Garten gewesen war, dem Haus näherte, sah ich bereits die Hunde, wie sie mich von ihrem Aussichtspunkt auf dem Bett der alten Dame, neben dem Fenster, beobachteten. Und als ich an die Tür klopfte, drang wie auf Kommando ohrenbetäubendes Gebell nach draußen. So war es immer. Seit über einem Jahr kam ich nun regelmäßig hierher, und der Ablauf war stets derselbe – erst kam das aufgeregte Bellen, dann Mrs. Broadwith, die sich um Miss Stubbs kümmerte.
    Sie schob alle Tiere außer meinem Patienten in die Küche, öffnete mir die Tür, und dann ging ich zu MISS Stubbs, die unter dem Pappschild in ihrer Bettecke lag.
    Dort lag sie schon sehr lange, und sie würde auch nie wieder aufstehen. Doch niemals erwähnte sie ihre Krankheit, nie klagte sie über ihre Leiden; ihre einzige Sorge galt den drei Hunden und den beiden Katzen.
    Heute war der alte Prince an der Reihe, und er gefiel mir gar nicht. Es war das Herz – so ungefähr der spektakulärste Herzklappenfehler, der mir je zu Ohren gekommen war. Prince wartete schon auf mich, als ich hereinkam, wie immer erfreut, mich zu sehen, wie mir sein langer, sanft wedelnder Fransenschwanz zu verstehen gab.
    Dieser Schwanz hatte mich ursprünglich zu der Annahme verleitet, daß in Prince viel von einem Irish Setter steckte, doch ich änderte meine Meinung, als ich mich über den bauchigen braunschwarzen Körper zum Zottelkopf vorarbeitete, wo ich schließlich bei den Schäferhundohren anlangte – na, jedenfalls eins hielt er aufrecht, das andere kippte nach vorn ab. Miss Stubbs nannte ihn häufig ›Mr. Heinz‹, in Anspielung auf die vielfältigen Zutaten des gleichnamigen Ketchups, und auch wenn er keine 57 Arten in sich vereinen mochte, kam ihm seine robuste Mischlingskonstitution sehr zugute. Mit einem solchen Herzen hätte er eigentlich schon lange tot sein müssen.
    »Ich dachte, ich ruf Sie besser an, Mr. Herriot«, sagte Mrs. Broadwith. Sie war eine ältere, gutsituierte Witwe mit einem breiten, groben Gesicht, das in scharfem Kontrast zu den ausgemergelten Zügen stand, die ich dort auf dem Kopfkissen sah. »Er hat ordentlich gehustet diese Woche, und heut morgen war er ein bißchen wacklig auf den Beinen. Aber immer noch guten Appetit.«
    »Das glaube ich.« Ich fuhr mit der Hand über die Fettröllchen auf seinen Rippen. »Es müßte schon eine Menge passieren, bevor der alte Prince sich von der Futterschüssel löst.«
    Miss Stubbs ließ vom Bett her ein Lachen vernehmen, und der alte Hund, mit breitem Maul und blitzenden Augen, schien mit einzufallen. Ich setzte mein Stethoskop an sein Herz und horchte. Ich wußte sehr wohl, was ich dort zu hören bekäme. Man sagt, das Herz mache folgendes Geräusch: ›Bu-bumm, bubumm‹, Prince’ kleines Herz jedoch machte: ›Wisch-wasch, wisch-wasch.‹ Fast ebensoviel Blut, wie in den Kreislauf gelangte, schien zurückzufließen. Außerdem war das ›Wischwasch‹ viel schneller als bei meinem letzten Besuch; er bekam ein Digitalispräparat, doch es schien nicht recht zu wirken.
    Betrübt führte ich das Stethoskop weiter über die Brust. Wie alle alten Hunde mit chronischer Herzschwäche hatte auch Prince eine ständig akute Bronchitis, und ohne Freude lauschte ich der Sinfonie von Pfeifen, Blubbern, Quietschen und Murmeln, die seine Lunge veranstaltete. Der alte Hund stand ganz stolz und aufrecht und wedelte gemächlich mit dem Schwanz. Er faßte es stets als enormes Kompliment auf, von mir untersucht zu werden, und offensichtlich genoß er es auch jetzt wieder. Glücklicherweise verursachte sein Leiden keine sonderlich großen Schmerzen.
    Als ich mich aufrichtete und ihm dabei den Kopf tätschelte, revanchierte er sich umgehend mit dem Versuch, seine Vorderpfoten an meine Brust zu legen. Was ihm nicht ganz gelang. Schon von dieser kleinen Anstrengung rasselte es in seiner Brust, und die Zunge hing ihm aus dem Hals. Ich gab ihm eine intramuskuläre Injektion mit Digitalin und noch eine mit Morphiumhydrochlorid, die er freudig als Teil des Spiels entgegennahm.
    »Die sollten Herz und Lunge stabilisieren, Miss Stubbs. Er wird für den Rest des Tages ein wenig benommen sein, doch auch das wird helfen. Geben Sie ihm die Tabletten wie gehabt, und außerdem gebe ich Ihnen noch etwas für seine Bronchitis.«
    Die nächste Etappe meines Besuchs wurde nun eingeläutet,
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