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Auf dem Jakobsweg

Auf dem Jakobsweg

Titel: Auf dem Jakobsweg
Autoren: Paolo Coelho
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sei vorsichtiger.«
Seine Stimme klang sympathischer als die des Zigeuners und auch als die von Madame Savin. Er nahm seinen Rucksack, auf dessen Rückseite eine Muschel abgebildet war, zog eine Flasche Wein daraus hervor, trank einen Schluck davon und reichte sie dann mir. Nachdem ich getrunken hatte, fragte ich ihn, wer der Zigeuner gewesen sei.
»Dieser Weg verläuft an der Grenze zwischen Spanien und Frankreich und wird häufig von Schmugglern und flüchtigen Terroristen aus dem spanischen Baskenland benutzt«, erklärte mir Petrus. »Die Polizei kommt fast nie hierher.«
»Das ist keine Antwort. Ihr habt euch angesehen, als wärt ihr alte Bekannte. Und auch ich hatte das Gefühl, ihn zu kennen, deshalb war ich auch so unbedacht.«
Petrus lachte und meinte, wir sollten uns nun auf den Weg machen. Ich nahm meine Sachen, und wir wanderten schweigend. Doch Petrus' Lachen hatte mich verstehen lassen, daß er dasselbe dachte wie ich: Wir waren einem Dämon begegnet.
Wir gingen eine geraume Weile, ohne etwas zu sagen. Madame Savin hatte recht gehabt: Man konnte selbst in einer Entfernung von beinahe drei Kilometern noch das Blasorchester hören. Ich hatte Petrus gern eine Menge Fragen zu seinem Leben, seiner Arbeit und dem Grund seines Hierseins gestellt. Doch ich wußte, daß wir noch siebenhundert Kilometer gemeinsamen Weges vor uns hatten und ich zum gegebenen Zeitpunkt auf diese Fragen eine Antwort erhalten würde. Allein, der Zigeuner ging mir nicht aus dem Sinn, und schließlich brach ich das Schweigen. »Petrus, ich glaube, daß der Zigeuner der Dämon war.«
»Ja, das war der Dämon.« Als er es mir bestätigte, spürte ich eine Mischung aus Schrecken und Erleichterung. »Aber das war nicht der Dämon, den du in der >Tradition< kennengelernt hast.«
In der >Tradition< ist der Dämon ein Geist, der weder gut noch böse ist. Ihm wird die Rolle des Wächters der meisten für den Menschen erreichbaren Geheimnisse zugeschrieben, und er hat die Macht über die materiellen Dinge. Er ist ein gefallener Engel, der sich mit den Menschen identifiziert und bei entsprechender Gegenleistung immer bereit ist, ihm einen Gefallen zu tun.
Auf meine Frage, was denn der Unterschied zwischen dem Zigeuner und den Dämonen der >Tradition< sei, antwortete Petrus lachend:
»Wir werden auf unserem Weg noch weitere treffen. Du wirst es schon selber herausfinden. Erinnere dich an die Unterhaltung, die du mit dem Zigeuner hattest, dann wird dir etwas auffallen.« Ich rief mir die zwei Sätze ins Gedächtnis, die wir miteinander gesprochen hatten. Er hatte gesagt, er habe mich erwartet, und mir versichert, er werde das Schwert für mich finden. Darauf erklärte mir Petrus, daß die beiden Sätze wunderbar in den Mund eines Diebes paßten, der dabei erwischt wird, wie er einen Rucksack stiehlt: Er versucht, Zeit zu gewinnen und sich, während er seine Flucht vorbereitet, den anderen gewogen zu machen. Beide Sätze könnten einen verborgenen tieferen Sinn enthalten, oder aber seine Worte gaben nur genau das wieder, was er dachte.
»Und welche ist die richtige Deutung?«
»Beide. Der arme Dieb hat, während er sich verteidigte, seine Worte aus der Luft gegriffen. Er hielt sich für schlau und war dabei nur das Werkzeug einer höheren Macht. Wäre er geflohen, als ich kam, müßten wir uns jetzt nicht über ihn unterhalten. Doch er hat sich mir gestellt, und ich habe in seinen Augen den Namen eines Dämons gesehen, dem du noch auf unserem Weg begegnen wirst.«
Für Petrus war dieses Treffen ein gutes Omen, weil sich der Dämon schon früh offenbart hatte.
»Einstweilen mach dir seinetwegen keine Sorgen, denn, wie gesagt, er wird nicht der einzige bleiben. Er ist vielleicht der wichtigste, doch er wird nicht der einzige bleiben.«
Wir setzten unsere Wanderung fort. Die bislang etwas wüstenartig wirkende Vegetation bestand jetzt aus locker verteilten Büschen. Vielleicht sollte ich besser Petrus' Rat befolgen und die Dinge auf mich zukommen lassen. Hin und wieder machte er eine Bemerkung zu historischen Ereignissen, die sich dort ereignet hatten, wo wir gerade vorbeikamen. Ich habe beispielsweise das Haus gesehen, in dem eine Königin am Vorabend ihres Todes geschlafen hat, und eine kleine in die Felsen geschmiegte Kapelle, die Einsiedelei eines heiligen Mannes, von dem die wenigen Bewohner des Landstrichs behaupteten, er tue Wunder.
»Wunder sind doch etwas sehr Wichtiges, findest du nicht?« fragte mich Petrus.
Ich stimmte ihm zu, sagte ihm
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