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Auf dem Jakobsweg

Auf dem Jakobsweg

Titel: Auf dem Jakobsweg
Autoren: Paolo Coelho
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auf dem ganzen Jakobsweg das Wasser, das vom Himmel kam. Ich erinnerte mich an die verlassenen Felder und war glücklich, daß sie in dieser Nacht benetzt wurden. Ich erinnerte mich an die Steine von Leon, die Weizenfelder von Navarra, die Trockenheit von Kastilien, die Weinberge von Rioja, die heute das Wasser tranken, das in Sturzbächen herunterkam und die Kraft des Himmels mit sich brachte. Ich erinnerte mich daran, daß ich ein Kreuz aufgerichtet hatte, das durch das Unwetter wiederumstürzen würde, damit ein anderer Pilger das Befehlen und Dienen lernte. Ich dachte an den Wasserfall, der jetzt mit dem Regenwasser anschwoll, und an Foncebadon, wo ich den Boden mit so viel Macht erneut befruchtet hatte. Ich dachte an all das Wasser, das ich aus so vielen Brunnen getrunken hatte und das ihnen jetzt wieder zurückgegeben wurde. Ich war meines Schwertes würdig, weil ich wußte, was ich mit ihm tun würde.
Der Meister reichte mir das Schwert, und ich ergriff es. Ich suchte mit dem Blick das Lamm, aber es war verschwunden. Doch das war jetzt nicht wichtig. Das lebendige Wasser kam vom Himmel herunter und ließ die Klinge meines Schwertes glänzen.

Epilog: Santiago de Compostela
    Vom Fenster meines Hotelzimmers aus kann ich die Kathedrale von Santiago und einige Touristen sehen, die am Hauptportal stehen. Studenten in mittelalterlichen schwarzen Gewändern spazieren zwischen den Passanten herum, während die Souvenirhändler ihre Stände aufbauen. Es ist noch früh am Morgen, und außer meinen Aufzeichnungen sind dies die ersten Zeilen, die ich über den Jakobsweg schreibe. Ich bin gestern mit dem Bus in der Stadt angekommen, derzwischen Pedreafita, das in der Nähe von Cebreiro liegt, und Compostela verkehrt. Wir haben vier Stunden für die 150 Kilometer gebraucht, die die beiden Städte voneinander trennen, und ich erinnerte mich dabei an meine Wanderung mit Petrus. Manchmal hatten wir zwei Wochen gebraucht, um die gleiche Strecke zurückzulegen. Bald werde ich zum Grab des heiligen Jacobus gehen und die auf die Jakobsmuscheln montierte Statue der Heiligen Jungfrau von Aparecida dort niederlegen. Anschließend werde ich so bald wie möglich zurück nach Brasilien fliegen, denn ich habe viel zu tun. Ich erinnere mich daran, wie Petrus einmal gesagt hat, daß er seine Erfahrungen in einem Bild zusammengefaßt hat, und mir kam der Gedanke, ein Buch über meine Erlebnisse zu schreiben. Doch das ist nur so eine Idee. Jetzt, wo ich mein Schwert wiederbekommen habe, gibt es viel zu tun.
Das Geheimnis meines Schwertes gehört allein mir, und ich werde es niemals enthüllen. Ich habe es aufgeschrieben und unter einen Stein gelegt. Doch der Regen wird das Stück Papier längst zerstört haben. Es ist besser so. Petrus brauchte es nicht zu wissen.
Ich hatte den Meister gefragt, ob er das genaue Datum meiner Ankunft gewußt und ob er schon lange dort gewartet habe. Er lachte und meinte, er sei am Vortag eingetroffen und wäre am nächsten Tag wieder abgereist, wenn ich nicht gekommen wäre.
Ich fragte ihn, wie das möglich sei. Er gab keine Antwort. Doch als wir uns verabschiedeten und er bereits im Mietwagen saß, der ihn zurück nach Madrid bringen würde, verlieh er mir eine kleine Komturei des Ordens des heiligen Jacobus vom Schwert und meinte, ich hätte eine große Enthüllung erlebt, als ich dem Lamm tief in die Augen geblickt hatte. Wenn ich mich weiter so bemühte wie bisher, würde ich vielleicht eines Tages verstehen, daß die Menschen immer pünktlich an dem Ort ankommen, an dem sie erwartet werden.

Europäische Wege nach Santiago de Compostela
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