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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund
Autoren: Peter Lindenthal
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habe - und auf morgen. Denn die Wettervorhersage ist ausgezeichnet. Hurra!
     
    Dämmerung
     
    Der Aktionsradius von Ajiz wurde noch kleiner, die konzentrischen Kreise, die sich zu Beginn seines Lebens wie die eines ins Wasser geworfenen Steines, scheinbar ohne enden zu wollen, ausgebreitet hatten, kehrten wieder zum Ursprung zurück, zu jener Öffnung im Universum, durch welche er ins Leben gekommen war. Jetzt würde er mich bald durch sie in die andere Richtung verlassen. Organisch war er noch in ziemlich guter Verfassung, aber die Arthrose machte ihm immer mehr zu schaffen. Ich bemerkte dies daran, dass er bei unseren Spaziergängen (von Wanderungen konnte schon lange nicht mehr die Rede sein) immer früher einfach kehrtmachte und um nichts in der Weit zum Weitergehen zu bewegen war. Gott sei Dank hatte ich inzwischen gelernt, seine Signale zu erkennen und zu respektieren, d. h. ich brach dann sofort den Spaziergang ab und kehrte um.
    Noch war nicht abzuschätzen, wann Ajiz aus meinem Leben treten würde; auch der Tierarzt äußerte sich da sehr vage, vor allem da Ajiz ja sonst für sein Alter erstaunlich gesund war. Ich wusste aber, dass der Moment des Abschieds nicht mehr fern war, und hatte Angst davor. Ein Zwischenfall zeigte mir dann, wie nahe dieser Moment schon war. Bei aller verminderten Leistungskraft, trotz seines reduzierten Aktionsradius’ war mein Auto für Ajiz immer noch wie eine zweite Heimat. Dort roch es nach mir und ihm, dort fühlte er sich wohl und geborgen, dort konnte er problemlos auf mich warten, wenn ich in der Stadt zu tun hatte -zu kurz, um ihn bei meinen Eltern zu lassen, deren Hilfsbereitschaft ich nicht über Gebühr strapazieren wollte - oder eine Veranstaltung besuchte, bei der er nicht mitkommen durfte. (Ja, das kam erstaunlicherweise immer noch vor!) So ließ ich ihn unbesorgt wieder einmal im Auto zurück, als ich mir einen Film anschauen wollte, der leider nicht in meinem geliebten „Hundekino“ lief. Das Auto parkte ich in einer Seitengasse, unmittelbar vor dem Haus, in dem Michi, eine gute Bekannte, mit ihren zwei Töchtern wohnt. (Fünf Gehminuten vom Kino entfernt, Parken gratis und erlaubt - in Innsbruck, wie in allen europäischen Städten, fast schon an Sciencefiction grenzend!) Nach dem Film eilte ich im Laufschritt zurück zum Auto, ich wollte Ajiz so schnell wie möglich aus seiner „Hütte“ befreien, in der er doch fast zwei Stunden lang eingesperrt gewesen war. Von weitem schon sah ich neben meinem Auto eine Menschenansammlung, in deren Mitte ich einen schwarz-weißen Hund erkannte - Ajiz! Warum war er außerhalb des Autos, das ich abgesperrt und dessen Seitenfenster ich einen Spalt offen gelassen hatte? Und wie war er herausgekommen? Dann erkannte ich in der Gruppe meine Schwester Susanne - wie um Himmels willen kam sie hierher? - und auch Michi aus dem Haus, vor dem mein Wagen stand. Irgendetwas musste vorgefallen sein, aber was? Auf keinen Fall etwas Schwerwiegendes, denn alle waren ruhig, inklusive Ajiz, und schienen auf etwas zu warten - auf mich?
    Susanne löste das Rätsel gleich auf. Michi hatte von ihrem Fenster im zweiten Stock das Jammern eines Hundes vernommen, dem sie zuerst keine Beachtung geschenkt hatte. Doch als es nicht aufhören wollte, hatte sie aus dem Fenster geblickt um zu sehen, wer seinen Hund da so entsetzlich lange misshandelte, und mein Auto erkannt. In diesem Augenblick wusste sie, dass es Ajiz war, der da so gottserbärmlich jammerte, und lief sofort hinunter. Weit und breit war kein Peter zu sehen, dafür aber Ajiz, der zwischen Vorder- und Rücksitzen hilflos auf dem Rücken lag und ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage war, aus eigener Kraft wieder auf die Rückbank zu klettern, von der er vermutlich beim Umdrehen heruntergerutscht war. (Heute noch krampft sich mir das Herz zusammen, wenn ich mir Ajiz in dieser Lage vorstelle.) Da bei mir zu Hause nur der Anrufbeantworter lief, verständigte Michi per Telefon meine Schwester Susanne, die jedoch auch keine Ahnung hatte, wo ich war oder sein könnte. (Im Kino, ich Idiot!) In der Zwischenzeit hatte sich die Gruppe um die Bewohner des Hauses gegenüber vergrößert, die ebenfalls von Ajiz’ Jammern alarmiert worden waren, und gemeinsam beriet man, was man tun solle bzw. könne. Michi und Susanne wollten Ajiz so schnell wie möglich aus seiner misslichen Lage befreien, das Auto wäre über den offenen Spalt leicht zu öffnen gewesen. Doch die Gegenseite (nicht nur im
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