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Auch keine Tränen aus Kristall

Auch keine Tränen aus Kristall

Titel: Auch keine Tränen aus Kristall
Autoren: Alan Dean Foster
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konnten, drauf vorzubereiten, ihn zu beruhigen, ihm alles zu erklären und ihm immer wieder die Chips zu zeigen, die er so oft studiert hatte. Und doch war das Bild, das er vor sich auf dem Bildschirm sah, klinisch und fern, und es fiel ihm schwer, eine Beziehung zwischen diesem Bild herzustellen und dem, was sich im Innern seines Körpers vollzog. Alle Chips, alle Informationen der ganzen Welt konnten einen nicht auf die Realität vorbereiten.
    Und noch schlimmer waren die Gerüchte, die in der Dunkelheit während der Schlafzeit zwischen den Insassen des Pflegehorts hin und her wanderten, dann, wenn die Erwachsenen nicht zuhörten. Schreckliche Geschichten von schlimmen Verformungen, von Monstrositäten, die man von ihrem Leid erlöste, ehe sie Gelegenheit bekamen, sich selbst im Spiegel zu sehen. Und von anderen ging die Rede, dass man ihnen das Überleben erlaubte, ihnen sozusagen ein Leben als Objekte wissenschaftlichen Studiums gestattete, abgeschlossen von ihrer Umwelt.
    Die Gerüchte wuchsen und vermehrten sich ebenso schnell, wie sich in seinem Inneren die Veränderungen vollzogen. Die Pfleger und Ärzte kamen und gingen und beobachteten ihn intensiv. Und alles das drückte sich in einem einzigen Wort aus, all das Geheimnisvolle, das Schreckliche, das Wunderbare:
    METAMORPHOSE
    Es war ein Vorgang, dem man nicht ausweichen konnte, dem man nicht entging, etwas wie der Tod. Die Gene diktierten es, und der Körper gehorchte. Die Larve konnte es nicht verzögern.
    Er hatte diesen Vorgang immer wieder studiert, mit einer Eindringlichkeit, wie er sie noch nie für etwas anderes aufgewendet hatte. Er sah sich die Aufzeichnungen an und staunte über die Umformung. Was, wenn der Kokon falsch gesponnen war? Was, wenn er zu schnell reifte und nur halb geformt aus dem Kokon platzte, oder - schlimmer noch - zu lange wartete und erstickte?
    Die Pfleger bemühten sich, ihn zu beruhigen. Ja, irgendwann einmal waren all diese schrecklichen Dinge geschehen, aber jetzt waren schließlich die ganze Zeit ausgebildete Ärzte und Metamorphose-Ingenieure anwesend. Die moderne Medizin konnte schließlich jeden Fehler kompensieren, den der Körper vielleicht beging.
    Der Tag rückte heran, und er hatte bereits vier Tage nicht mehr geschlafen. Sein Körper war von Nervosität geplagt, bereit zum Platzen. Unbegreifliche Gefühle quälten ihn. Er und die anderen, die bereit waren, wurden aus der Pflegestätte entfernt. Verwirrte jüngere Larven blickten ihnen nach und einige riefen ihnen Grüße hinterher.
    »Wiedersehen, Ryo ... Komm nicht mit acht Beinen raus!« - »Ich seh' dich dann als Erwachsenen wieder«, rief ein anderer. »Komm zurück und zeig uns deine Hände«, rief ein dritter. »Sag uns, was Farbe ist!«
    Ryo wusste, dass er nicht in den Pflegehort zurückkehren würde. Wenn man ihn einmal verlassen hatte, gab es keinen Grund mehr, in ihn zurückzukehren. Er würde dann einer anderen Form des Lebens gehören, es sei denn, er entschied sich dafür, als Erwachsener im Hort zu arbeiten.
    Er sah zu wie der Pflegehort zurückfiel, während seine Palette gemeinsam mit den anderen den langen Mittelgang hinunterglitt. Der Hort, sein vertrautes Weiß und Grau, seine Krippen und mit ihnen die einzigen Gefährten, die er je gehabt hatte, sie alle verschwanden hinter einer dreigeteilten Türe.
    Er hörte, wie jemand etwas schrie, und erkannte dann, dass er das selbst gewesen war. Das Ärztepersonal beruhigte ihn.
    Dann fand er sich in einem großen Saal mit hoher Decke, einer Kuppel aus leuchtender Dunkelheit, perfekt abgestimmter Feuchtigkeit und Temperatur. Er konnte sehen, wie die anderen Paletten in der Nähe abgestellt wurden, so dass sie einen Kreis bildeten. Seine Freunde ringelten sich im schwachen Schein von Speziallampen.
    Auf der nächsten Palette lag ein weiblicher Thranx namens Urilavsezex. Sie gab ein Geräusch von sich, das gute Wünsche und Freundschaft ausdrückte. »Endlich ist es soweit«, sagte sie. »Nach all den Jahren. Ich ... ich weiß nicht, was ich tun oder wie ich es tun soll.«
    »Ich auch nicht«, antwortete Ryo. »Ich kenne die Aufzeichnungen, aber woher weiß man, wann der exakte Augenblick da ist. Woher weiß man, wann die Zeit stimmt? Ich will keine Fehler machen.«
    »Ich ... ich fühle mich so seltsam. So als ... als müsste ich ...« Da hörte sie auf zu reden, denn wie durch einen Zauber kam plötzlich Seide aus ihrem Mund. Fasziniert starrte er sie an, während sie sich ans Werk machte und ihr
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