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Auch Die Waschmaschine Ist Nur Ein Mensch. Die Besten Technikgeschichten.

Auch Die Waschmaschine Ist Nur Ein Mensch. Die Besten Technikgeschichten.

Titel: Auch Die Waschmaschine Ist Nur Ein Mensch. Die Besten Technikgeschichten.
Autoren: Ephraim Kishon
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wobei sie unartikulierte Laute einer animalischen Befriedigung von sich gaben.
    »Fleisch«, grunzte Old Dad. »Echtes, gutes Fleisch…«
    In Wahrheit grunzte er nicht, er röhrte. Aber solche Feinheiten in der Differenzierung menschlicher Ausdrucksweise waren längst verlorengegangen, seit das Toben der Drillbohrer aus dem nahe gelegenen Schacht der Untergrundbahn alles übertönte.
    »Warum haben sie Fleisch für uns abgeworfen?« verlangte Onkel Griesgram laut schreiend zu wissen.
    »Warum gerade heute?«
    Old Dad formte seine Hände zum Trichter:
    »Es ist die Wiederkehr des Gerichtstags! Der 6. Juli!«
    Die anderen brachen in lautes Wehklagen aus. Der 6. Juli, so ging die Sage, war der Tag, an dem die Knesset den Antrag des Verkehrsministers angenommen und den Bau einer Untergrundbahn beschlossen hatte. Es war der Gerichtstag. Es war der Beginn des Zusammenbruchs.
    »Old Dad«, baten mit schrillem Gekreisch die Kinder, »erzähl’ uns doch, wann das alles angefangen hat!«
    Die Kleinen brauchten keine Watte mehr in den Ohren zu tragen. Sie waren bereits halb taub in der isolierten Enklave geboren worden, und der Höllenlärm ringsum war für sie ein ebenso selbstverständlicher Bestandteil der Natur wie für frühere Kinder das Gezwitscher der Vögel.
    Old Dad kroch auf allen vieren zu den roten Kalkstrichen auf der gegenüberliegenden Mauer. Dort hatte sich auch der Chronist des Stammes hingelagert, ein weiser, vielerfahrener Alter, der in vergangenen Zeiten die Würde eines Universitätsprofessors bekleidet hatte.
    »Eins … zwei… drei … «, zählte er und fuhr dabei mit zittrigem Finger über die roten Striche. »Es sind im ganzen zwölf Jahre vergangen…«
    Seit zwölf Jahren waren sie vom Rest der Welt abgeschnitten. Old Dad erinnerte sich noch ganz genau:
    »Damals ging’s los«, brüllte er. »Damals begann die Verkehrsmisere in Tel Aviv alle Grenzen zu übersteigen, und die Herren der Stadtverwaltung beschlossen, zum Wohle der Bevölkerung eine Untergrundbahn zu bauen. Sie kauften Maschinen. Viele, viele Maschinen … riesige Bulldozer … Traktoren… Krane… Drillbohrer … und sie gruben und gruben und gruben… Tag und Nacht… ohne Unterbrechung …«
    »Wo, Old Dad? Wo gruben sie?«
    »An den Kreuzungen. An den Straßenübergängen. Jenseits des großen Berges, diesseits der hohen Schutthalde. Tiefer und tiefer gruben sie und warfen zu beiden Seiten das Erdreich auf, bis wir eines Morgens die Straße nicht mehr überqueren konnten. Wir waren gefangen. Wir saßen in der Falle. Der Ring des Untergrundbettes hatte sich um uns geschlossen. Im Rundfunk hörten wir, daß der Verkehrsminister versprochen hatte, uns zu evakuieren.«
    »Evakuieren?« fragten die Kinder im Chor. »Was ist das?«
    »Uns zu retten. Uns herauszuholen. Wir warteten und warteten, aber nichts geschah. Nach einiger Zeit verstummte das Radio. Der elektrische Strom versagte, die Wasserleitungsrohre barsten, Sturzbäche ergossen sich über die Gegend, rissen die Telefonmasten um ... höher und höher stiegen die Berge von Schutt und Trümmern … und über allem der ständig wachsende Lärm der Maschinen. Viele von uns verloren ihr Gehör, die Nahrung ging uns aus, wir tranken Regenwasser.«
    »Warum seid ihr nicht weggelaufen, Old Dad?«
    »Weggelaufen?« Old Dad nickte wehmütig vor sich hin und deutete auf eine armselige Lumpengestalt, die in der Ecke des Hofes kauerte.
    »Er hat’s versucht, der Kletterer. Er wollte weglaufen.«
    Der als »Kletterer« Bezeichnete klappte mühsam das Lid seines linken Auges hoch. Auf seinem ausgemergelten Gesicht erschien ein idiotisches Grinsen. Mit dröhnender Stimme nahm Old Dad seine Erzählung auf:
    »Vor undenklich langen Zeiten, als man noch nichts von der Zerstörung ahnen konnte, war der Kletterer ein berühmter, in den europäischen Alpen geschulter Hochtourist. Und deshalb wähnte er, den großen Schuttgipfel übersteigen zu können, damals, als man hinter dem Berg noch die Pfeiler des Elektrizitätswerkes sehen konnte, die mittlerweile längst im Untergrundschacht verschwunden sind. Eines Morgens also hatte der Kletterer sich auf den Weg gemacht, in voller Hochgebirgsausrüstung, mit Seilen und Pickeln und Nahrungsvorräten für eine Woche. Es hieß, daß er sich bis zur nächsten Kreuzung durchgeschlagen hätte, aber dort brach er sich den Knöchel, als er gegen ein im Schutt verborgenes Parkometer stieß. Trotzdem setzte er die gefährliche Gratwanderung fort, um in die
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