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Atemlos

Titel: Atemlos
Autoren: Bagley Desmond
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»Von mir aus. Ich nehm einen doppelten Scotch.«
    Ich bestellte, und er sagte: »Ich nehme an, Sie ermitteln im Auftrag der Versicherungsgesellschaft.« Ich gab ein mehrdeutiges Murmeln von mir, um ihm seinen Glauben zu lassen, und er fuhr fort: »Ich dachte, die hätten den Fall längst zu den Akten gelegt. Tritt da nicht Verjährung ein oder so was Ähnliches?«
    Ich sah ihm zu, wie er sich unaufmerksam Wasser ins Glas goß, und lächelte rätselhaft.
    »Der Fall ist noch nicht abgeschlossen«, sagte ich.
    Am Tag nach dem Erscheinen des Berichts war English zum Chefredakteur gerufen worden – einen Tag, bevor Billson verschwand.
    Der Chefredakteur versuchte eben, mit einem zornbebenden Besucher fertig zu werden, der zusammenhanglose Drohungen ausstieß. Chefredakteur Graydon erklärte laut: »Hier kommt Mr. English, der den Artikel verfaßt hat. Setz dich, Mike. Wir wollen versuchen, die Sache ins reine zu bringen.«
    Er knipste die Sprechanlage ein: »Bitten Sie Mr. Harcourt zu mir.«
    English sah Ärger auf sich zukommen. Harcourt war der Hausanwalt des Verlages, und wenn der gebraucht wurde, konnte das nichts Gutes bedeuten. Er räusperte sich und sagte: »Um was geht's denn?«
    Graydon erläuterte: »Das ist Mr. Billson. Anlaß seines Besuches scheint die Story über seinen Vater in der gestrigen Nummer zu sein.«
    English schaute sich Billson an. Er sah einen reichlich unscheinbaren Mann, der augenblicklich stark erregt war: das Gesicht kreideweiß, dumpfrote Flecken auf den Wangen. Billson verkündete mit überkippender Stimme: »Glatte Verleumdung ist das! Ich bestehe auf einer Gegendarstellung und einer öffentlichen Entschuldigung!«
    Graydon versuchte, ihn zu beschwichtigen. »Ich bin überzeugt, daß Mike die Wahrheit so geschrieben hat, wie er sie sieht. Was sagst du dazu, Mike?«
    »Natürlich. Genau. Alle Fakten sind anhand der Gerichtsakten und der Pressedokumentation von damals überprüft worden.«
    »Ich beschwere mich nicht wegen der Fakten«, sagte Billson. »Aber diese verdammten Anspielungen! Ich habe in meinem Leben noch nie so etwas Mieses gelesen. Wenn Sie mir die öffentliche Entschuldigung verweigern, gehe ich vor Gericht!« Graydon warf English einen Blick zu, dann sprach er begütigend: »Aber so weit wollen wir es doch nicht kommen lassen, Mr. Billson. Unter erwachsenen Menschen müßte sich doch ein allseits befriedigendes Einvernehmen herstellen lassen.« Er blickte auf, da Harcourt die Chefredaktion betrat, und stellte mit einem Seufzer der Erleichterung fest: »Sehen Sie, sogar Mr. Harcourt, der Leiter unserer Rechtsabteilung, will sich der Sache annehmen.«
    Graydon umriß knapp den Sachverhalt, und Harcourt bat sich erst einmal ein Exemplar der Wochenendbeilage aus, mit welcher er sich dann zum Lesen hinsetzte. Ein unbehagliches Schweigen breitete sich im Raum aus, dieweil der Anwalt das umfängliche Druckwerk studierte. Graydon klopfte unruhig mit den Fingern auf sein Knie. English saß ganz still und hoffte sehr, daß niemand den Schweiß auf seiner Stirn bemerkte. Und Billson rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, während seine innere Spannung wuchs.
    Nach scheinbar endlosen Minuten legte Harcourt schließlich die Zeitungsseiten nieder. »Worüber beklagen Sie sich eigentlich, Mr. Billson?«
    »Das ist doch wohl klar genug! Mein Vater ist beleidigt worden, und ich verlange auf der Stelle eine Entschuldigung, oder ich verklage Sie!« Er richtete einen drohenden Finger auf English. »Ich verklage ihn und die ganze Zeitung!«
    »Ich verstehe«, sagte Harcourt bedächtig. Er beugte sich vor. »Was ist denn Ihrer Meinung nach Ihrem Vater tatsächlich zugestoßen?«
    »Er ist mit dem Flugzeug abgestürzt!« schrie Billson. »Und dabei ist er umgekommen, das ist meine feste Überzeugung.« Er schlug mit der Hand auf die Zeitung. »Das hier ist reine Verleumdung!«
    »Ich fürchte, da werden Sie wohl nicht klagen können«, sagte Harcourt. »Klagen können Sie nur, wenn es um Ihren eigenen Ruf geht. Sehen Sie, es ist so: Aufgrund feststehender Rechtsgrundsätze gibt es keine Verleumdung von Verstorbenen.«
    Einen Augenblick herrschte Stille. Dann meinte Billson ungläubig: »Aber dieser Mensch hat doch geschrieben, daß mein Vater nicht tot ist.«
    »Aber Sie halten ihn für tot, und Sie wollen ja klagen. So geht es einfach nicht, Mr. Billson. Und wenn Sie mir nicht glauben, was natürlich Ihr gutes Recht ist, empfehle ich Ihnen, sich mit Ihrem eigenen Anwalt zu beraten.
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