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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S.
Autoren: Greg Iles
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blitzt in seinen Augen auf. »Nehmen Sie die beschissene Stimmung nicht persönlich. Chief Tobin hat die Unterstützung durch die Einheit offiziell angefordert – er kennt ihren Leiter –, aber das NOPD und die örtliche FBI-Dienststelle haben mit ihr noch ein Hühnchen zu rupfen. Das ist nicht Ihr Problem. Erzählen Sie einfach Ihre Geschichte.« Mayeux blinzelt. »Showtime, Cher .«

5
    D
etective Mayeux’ Warnung bezüglich der Stärke der Spannungen war eine Untertreibung. Der kahle Konferenzraum erinnert mich in erster Linie an einen voller Leadsänger. Egos prallen gegeneinander wie Luftballons an Schnüren, während ihre Besitzer sich in eingeübte Posen werfen und keine andere Tagesordnung als die ihre anerkennen wollen. Vier Männer in Geschäftsanzügen sitzen in geschlossener Phalanx am anderen Ende eines rechteckigen Tisches. Sie könnten genausogut Schilder mit der Aufschrift FBI an ihren Jacken befestigt haben. Der Polizeichef von New Orleans, ein riesenhafter Schwarzer, trägt ein gestärktes weißes Uniformhemd, das sich über seinen Körpermassen spannt. Jeweils vier Sterne schmücken die blauen Streifen auf den beiden fleischigen Schultern.
    Rechts vom Chief sitzt eine Kleiderstange von Mann, bei dem es sich um Mayeux’ Partner handeln muß. Er sieht saumäßig schlecht aus. Augen wie Fünfmarkstücke, ein unregelmäßiges Zittern der Hände, das auf gravierenden Schlafentzugschließen läßt. Ich kenne die Symptome gut. Neben ihm sitzt eine vollbusige Latino-Sekretärin. Mit dem linken Ohr lauscht sie dem Chief, doch ihre Blicke bleiben auf die jungen FBI-Agenten gerichtet.
    »Meine Herren«, sagt Detective Mayeux, »Mr. Harper Cole.«
    Mayeux nennt mir Namen, aber es gelingt mir nicht, sie dauerhaft zu speichern. Drei der FBI-Agenten tragen blaue Anzüge, der vierte einen anthrazitgrauen. Heißt das, daß er der Boß von ihnen ist? Er ist eindeutig der älteste, trägt sein ergrauendes Haar jedoch länger als die anderen. Mayeux nennt leise seinen Namen und betont ihn unabsichtlich.
    Arthur Lenz. Doktor Arthur Lenz.
    Natürlich. Lenz ist der Seelenklempner.
    Wann immer ich interessante Fremde kennenlerne, ordne ich sie als Ersatzdarsteller für die Stars meiner Erinnerung ein. Manchmal treffe ich einen Edmond O’Brien oder einen George Sanders, vielleicht einen Robert Ryan. Ich erinnere mich an diese Burschen, weil ich als Kind immer lange mit meinem Dad aufgeblieben bin und wir uns Channel 4 aus New Orleans angesehen haben. So ist es mir zur Gewohnheit geworden, Fremde gleichsam in Zelluloidschubladen in meinem Kopf einzuordnen. Manche Leute sind nur Statisten, wie Mayeux’ Partner und die Sekretärin. Aber dann und wann treffe ich auf einen überzeugenden Zeitgenossen. Jemand, der mich nicht nur an – sagen wir – Fredric March erinnert, sondern es wirklich sein könnte.
    Doktor Lenz ist vielleicht so einer. Er ist großgewachsen – das ist unverkennbar, obwohl er sitzt –, und doch ... er ist irgendwie beschränkt, so wie ein Schauspieler, der nie den Sprung auf die Kinoleinwand geschafft hat. Ewig mittleren Alters, ein weißer angelsächsischer Protestant – oder zumindest wäre er es gern –, teurer Anzug, sehr auf Selbstkontrolle bedacht. Er hat unbestreitbar ein gewisses Charisma, doch irgendwie gehört er eher ins Fernsehen als zum Film.
    In dem unbehaglichen Schweigen, das auf die Vorstellungenfolgt, wirft einer der FBI-Leute in den blauen Anzügen – Baxter, glaube ich – dem Polizeichef einen ärgerlichen Blick zu. Dann sieht er mir in die Augen. »Guten Morgen, Mr. Cole«, sagt er und versieht das »Mister« mit der eigentümlichen und verächtlichen Betonung, die Militärangehörige sich für Zivilisten aufheben. »Ich bin Special Agent Daniel Baxter.«
    Zuerst habe ich auf Baxter nicht geachtet, weil er sich von der Größe her nicht von den beiden anderen blauen Anzügen unterscheidet. Aber jetzt schaue ich ihn mir an. Und bekomme das Gefühl, daß er etwas verbirgt; im biblischen Sinne; gemeint ist, daß er sein Licht unter den Scheffel stellt. Hinter seinen dunklen Augen liegt eine gewisse Bedeutung, aber er ist kein Hauptdarsteller. Er ist ein knochenharter Sergeant aus einem Schwarzweiß-Kriegsfilm, der das Kommando übernehmen muß, weil sein Lieutenant gefallen ist.
    Als hätten Agent Baxters Worte ihn ins Leben zurückgerufen, begrüßt der Polizeichef mich mit einem überraschenden James-Earl-Jones-Baß. »Mr. Cole, ich bin Chief Sidney Tobin. Ich danke Ihnen,
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