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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park
Autoren: Lauren Willig
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Zeit weg gewesen, und wenn sie da war, hatte sie gelernt, für den Anwaltsgehilfenkurs gepaukt, der ihnen die Tür zur Unabhängigkeit öffnen sollte.
    Grandpa Frederick, seit langem im Ruhestand, hatte mit Clemmie Spaziergänge im Park unternommen und ihr am Mr.-Softee-Eiswagen heimlich Eis gekauft. Granny Addie hatte mehr zu tun gehabt mit ihren Kuratorien und Ausschüssen, doch sie hatte die Zeit gefunden, mit Clemmie ins Museum of the City of New York zu gehen, wo sie sich die Puppenhäuser ansahen, hundert verschiedene Miniaturheime. Abends kam ihre Mutter meistens erst nach Hause, wenn Clemmie schon schlief. Doch immer war Granny Addie da, um sie zu Bett zu bringen, manchmal in Abendkleidung, dann raschelte ihr Rock, wenn sie sich neben Clemmie aufs Bett setzte und sie in eine Duftwolke teuren Puders und alter getrockneter Blumen hüllte.
    Sie wäre, glaubte Clemmie, glücklich gewesen, wenn sie geblieben wären, aber Clemmies Mutter hatte eine Anstellung und eine Wohnung gefunden, eine winzige Wohnung in Yorkville, erster Stock ohne Lift. Die einzige finanzielle Hilfe, die Mutter von Granny Addie annahm, waren die Gebühren für Clemmies Privatschule. Nach dem Unterricht kam Clemmie vereinbarungsgemäß immer zu ihrer Großmutter. Dort machte sie ihre Schularbeiten, lud sich Freunde ein, schwatzte am Telefon über die Jungs von der Buckley-Schule und die Mädchen von der Nightingale und füllte an Granny Addies Küchentisch ihre Collegebewerbungen aus.
    Clemmie konnte sich eine Welt ohne Granny Addie einfach nicht vorstellen.
    Sie wischte sich energisch die Haare aus dem Gesicht. Genug jetzt. Mutter hatte ihr aufgetragen, die Leute ins Esszimmer zu bugsieren. Sie schlug sich zu Tante Anna durch, die mit einem Mann aus einer der diversen Freundesgruppen zusammenstand. Grannys Steuerberater vielleicht? Er kam ihr bekannt vor, aber sie war nicht sicher.
    «Tut mir leid, wenn ich störe», sagte sie mit einem künstlichen Lächeln. «Ich soll die Leute jetzt zum Büfett ins Esszimmer bitten.»
    «Oh, gut, keine Tischkarten», sagte Tante Anna. «Irgendwie lande ich immer neben den größten Langweilern. Fast als würde jemand mit Absicht dafür sorgen.»
    Und mit ‹jemand› meinte sie Clemmies Mutter.
    «Nein, ausnahmsweise keine Tischkarten», sagte Clemmie. «Entschuldigt Ihr mich? Ich muss jetzt den Schäferhund spielen.»
    Tante Anna tippte ihren Begleiter auf die Schulter. «Wartest du auf mich, Phil? Ich möchte nur mal mit meiner Nichte reden.» Tante Anna wandte sich wieder Clemmie zu und zog besorgt die sorgfältig gepflegten Augenbrauen zusammen. «Alles in Ordnung, Schätzchen? Du siehst ganz niedergeschmettert aus.»
    Clemmie hörte die Stimme ihrer Mutter:
Sag Tante Anna ja nichts. Wer weiß, wie sie das wieder benützen würde
. Absurd. Tante Anna war auch Granny Addies Tochter. Und sie war immer nett gewesen zu Clemmie. Ein bisschen aufgesetzt, ja, aber im Grunde ganz in Ordnung.
    Clemmie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. «Es ist wegen Granny. Sie ist gar nicht mehr richtig hier. Die Pflegerin behauptet zwar, das sei normal, sie sei nur müde, aber …»
    Plötzlich war alles zu viel: der Tag, Dan, Granny Addie. Vor einer Woche hatte alles noch seinen sicheren Platz gehabt, der Verlobte, die Zukunft, die Familie. Und jetzt, puff! Wohin war es verschwunden? Kein Verlobter und damit keine Familie; ihre Mutter sauer; ihre Großmutter nicht mehr ganz bei sich; alles brach über ihr zusammen. Das einzig Konstante war ihr verdammtes BlackBerry. Sie hasste es.
    Partnerin werden, sagte sie sich; sie würde in die Partnerschaft aufgenommen werden. Ihr Name auf dem Briefkopf der Kanzlei und ein Messingschild neben ihrer Bürotür. Das hätte sie für alles entschädigen sollen. Im Augenblick fiel ihr nicht ein, wieso.
    «Sie hat mich nicht einmal erkannt», platzte Clemmie heraus. «Sie hat mich Bea genannt.»
    Tante Anna wurde angerempelt, und Wein schwappte aus ihrem Glas. «Scheiße», schimpfte sie und versuchte, den Fleck auf ihrem champagnerfarbenen Kleid mit der Cocktailserviette wegzuwischen. «Das habe ich gerade aus der Reinigung geholt.»
    «Warte.» Clemmie nahm ihr das Weinglas ab, während Tante Anna den Schaden bearbeitete. «Wenigstens ist es ungefähr die gleiche Farbe.»
    «Sehr witzig», sagte Tante Anna erbittert und nahm Clemmie ihr Glas wieder ab. Sie sah, fand Clemmie, plötzlich viel älter aus. Älter und härter. Ihre Augen waren nicht grün wie die von
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