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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition)
Autoren: Nora Miedler
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mein Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Wenn Mama mir am Sonntag wirklich den Kopf abriss, konnte ich immer noch in Richtung Flughafen flüchten.
    Morgen war Sonntag und plötzlich war mir speiübel. Meine Laufhose namens Damen Running Dreiviertel Tights, die ich mir vor Jahren gekauft und bisher noch nie getragen hatte, schnitt in meinen Bauch. Außerdem war sie viel zu heiß und brachte absolut nicht das, was ich erhofft hatte. Der Stoff war fest, und genau diese Festigkeit hatte ich mir für meine Schenkel gewünscht. Doch bei jedem harten Laufschritt auf dem Asphalt spürte ich ein eigenartiges Wabbeln vom Bauch bis zu den Knien und zurück. Und die Weste, die ich mir um die Hüften gezurrt hatte, reichte links und rechts nicht weit genug nach vorne, um irgendwas zu kaschieren.
    Ich blieb stehen. Mein Atem rasselte. Nicht mal was zu trinken hatte ich dabei. Es war halb zehn, und es hatte bereits 28 Grad. Ich würde vollkommen verschwitzt im Geschäft ankommen. Okay Teddy, nicht unterkriegen lassen. Du hast frische Kleidung im Rucksack und ein Waschbecken im Schuh-Bi . Der Rest ist egal. Nein, nicht nur egal, sondern wurscht . Mama mochte es gar nicht, wenn ich »wurscht« sagte. Sie nannte mich dann Proletin. Ich grinste und lief weiter. Jetzt war alles wurscht. Das war ja ein wahres Zauberwort. Problem da? Ein kurzes Schulterzucken, ein saloppes Wurscht – Problem wieder weg.
    Gut, wir reden hier nicht von Leukämie oder abgetrennten Körperteilen. Aber immerhin von Schweiß. Und ich hatte schon durchaus tragische Momente durch ebensolchen erlebt. Ich sage nur zwei Worte: »Tanzstunde« und »Kunstfasershirt« (Mamas Idee, beides).
    Ein lautes Hupen riss mich unsanft aus meinen Gedanken. Ich machte einen Satz zur Seite. Erst als der LKW vorbeigetost war, fühlte ich den Körperkontakt.
    »Da hat wohl jemand ein bisschen geträumt …«
    Ich fuhr herum. Die Arme, die mich auf den Gehsteig gezerrt hatten, gehörten zu Dr. Strohmann. Ich hatte ihn noch nie aus nächster Nähe gesehen, trotzdem erkannte ich ihn sofort. Wenn er auf dem Weg zu seiner Praxis am Schuh-Bi vorbeischritt, klebte die gesamte weibliche Kundschaft an der Fensterfront. Dr. Strohmann wusste, was sich gehörte, und winkte jedes Mal durchs Fenster. Er war der Superstar der Sieveringer Straße. Und jetzt stand er vor mir, ganz nah.
    Hätte ich einen Busen, dann hätte er seine Rippen gestreift. Mir war entsetzlich schwindlig. Meine Lippen waren ausgetrocknet, ich hatte den Geschmack von abgestandenem Kaffee im Mund und wünschte, ich hätte meinen Kaugummi nicht ein paar Laufmeter zuvor verschluckt.
    »Endlich habe ich mal ein Leben retten können. Dafür haben sich die sieben Jahre Medizinstudium gelohnt.« Die weißen Zähne blitzten im gebräunten Gesicht, und mir wurde klar, dass er meine verschwitzten Oberarme noch immer nicht losgelassen hatte.
    »Danke, Herr Strohmann«, brachte ich hervor, »ich meine Doktor –«
    »Sie arbeiten doch in dem kleinen Laden neben mir?«
    Ich nickte und merkte, dass mir der Mund offen stand.
    »Und? Sind Sie auf dem Weg dahin? Dann können wir ja gemeinsam gehen.« Seine Hände glitten an meinen Armen herab. Ich spürte, dass mein Gesicht knallrot war, und hoffte, Dr. Strohmann würde diesen Umstand auf meine Sportlichkeit zurückführen. Gemeinsam überquerten wir die Straße. Meine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding. Ich neben dem schönen Zahnarzt, das war doch verkehrt. Das fühlte sich an, als wäre ich … ja, tatsächlich fühlte es sich an, als wäre ich eine richtige Frau.
    Dr. Strohmann war groß, sicher über eins neunzig. Ich ging ihm gerade mal bis zur Schulter. Und diese Schulter war so nah neben meinem Kopf, dass seine Hand immer wieder an meinen Unterarm streifte. Goooott …
    »Laufen Sie regelmäßig?«, fragte er plötzlich.
    »Gott, nein«, entfuhr es mir voller Überzeugung. Verdammt! »Also früher schon, natürlich, ja, ja, aber jetzt … so viele andere Verpflichtungen, Hobbys, naja …«
    »Segen und Fluch unserer Zeit«, meinte mein Begleiter kryptisch, und ich erwiderte: »Genau das. Sie sagen es.« Als wäre ich eine richtige Frau und als würde ich ein richtiges Gespräch führen.
    Wir bogen in die Sieveringer Straße ein.
    »Wissen Sie, dass ich Sie heute das erste Mal aus der Nähe sehe?«, sagte Strohmann plötzlich.
    »Ja«, platzte ich heraus. »Ich meine – ich meine, ich Sie auch …«
    Ich starrte ihn an, und er zwinkerte mir zu. Am liebsten hätte ich
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