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Asche zu Asche

Asche zu Asche

Titel: Asche zu Asche
Autoren: Jennifer Armintrout
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um abzulehnen.
    Obwohl ich sehr müde war, konnte ich nicht gleich einschlafen. In meinem Kopf schwirrten grauenvolle Bilder herum. Ich bekam eine direkte Kostprobe, wozu das Orakel in der Lage war. Ich sah, was es Anne, der fröhlichen ewig jungen Empfangsdame der Bewegung, angetan hatte. Das Orakel hatte sie jahrelang mit der Vorstellung gefoltert, ihr Rückgrat zu brechen, um es dann wahr zu machen. Was hatte es diese armen Vampire im Krankenhaus sehen lassen? Es musste die Hölle für sie gewesen sein.
    Auch wenn ihr Tages- oder vielleicht besser Nachtrhythmus und meiner sich geradezu ausschlossen, waren die Leute, die ich im Hauptquartier der Bewegung kennengelernt hatte, sehr nett zu mir gewesen. Besonders herzlich war Anne, sie hatte mich mitgenommen, um mir, obwohl es strikt verboten war, das Orakel zu zeigen. Der Besuch endete damit, dass das Orakel Anne herumschleuderte wie eine Puppe und versucht hatte, mir den Kopf abzureißen. Als wiranschließend mitgeteilt bekamen, dass Anne den Überfall überlebt hatte, waren wir mehr als erleichtert. Aber wenn ich zurückblicke, dann scheint es so, als sei Anne von Beginn an dazu verdammt gewesen zu sterben. Die Bewegung hatte nämlich eine ziemlich rigorose Einstellung, was die medizinische Behandlung von verletzten Vampiren betraf, selbst wenn es lebensbedrohlich aussah. Es hatte ewig gebraucht, bis sich Anne von der Attacke erholte, da ihr Körper nur auf seine eigenen Heilungskräfte angewiesen war. Als das Orakel die ganze Station in Brand gesetzt hatte, war sie wahrscheinlich völlig hilflos gewesen. Ich glaube, dass Nathan recht hatte. Das Orakel tat Dinge nicht einfach mal so.
    Ich drehte mich auf die Seite. Das Bett schien größer und seltsam leer zu sein, seitdem mein Schöpfer angekommen war. Ich sehnte mich danach, neben ihm zu liegen, sein leises Schnarchen zu hören und zu lauschen, wenn er gelegentlich im Schlaf Unsinn murmelte. Das bekam jetzt jemand anderes zu hören.
    Jedenfalls fühlte ich mich ein wenig besser, nachdem ich gesehen hatte, wie kühl die beiden miteinander umgegangen waren. Vielleicht war Max’ Idee, die beiden vorsätzlich in zwei getrennten Zimmern unterzubringen, doch gar nicht so verrückt, denn keiner von ihnen wirkte so, als wollte er mit dem anderen zusammen in einem Bett schlafen.
    Wie konnte Nathan dieses Verhältnis nur vor mir verbergen? Auch wenn wir räumlich getrennt waren, war ich doch immer ehrlich zu ihm gewesen, oder? Und ich hatte meine Seele riskiert, um ihn vor dem grauenhaften Zauberspruch des Souleaters zu schützen. Aus meiner Sicht schuldete er mir zumindest Aufrichtigkeit, auch wenn es für ihn ein wenig unbequem war.
    Ich wünschte mir, er hätte dieselbe Einstellung zu diesen Dingen wie ich.
    Aber nun hatte er Bella. Sie war exotisch, leidenschaftlich und gefährlich. Und sie war so ganz anders als ich, der langweilige hellhäutige Typ Frau. Durch den vielen Sex und die Flamme des Verliebtseins hatte Nathan wahrscheinlich keine Zeit, darüber nachzudenken, was das alles für mich bedeutete und wie sehr ich verletzt sein könnte.
    Und nicht zum ersten Mal rannen mir kalte Tränen aus Gram über meinen Schöpfer über die Wangen.
    Beinah wäre es mir gelungen, mich in den Schlaf zu weinen, als ich ein leises Klopfen an der Tür vernahm. Wahrscheinlich war es Max, um mit mir die Lage zu beraten. Schnell wischte ich mir die Tränen ab. Wenn Nathan so tun konnte, als ginge ihn das alles nichts an, dann konnte ich das schon lange! Vielleicht würde ich es sogar irgendwann selbst glauben.
    „Herein“, sagte ich und hoffte, dass meine Stimme verschlafen und nicht verheult klang.
    Die Tür ging auf, und nicht Max, sondern Nathan schlich herein.
    Ich setzte mich auf und zog mir die Decke erschrocken bis zum Hals, als könne er durch mein T-Shirt hindurch mein gebrochenes Herz sehen – wenn es da gewesen wäre. Mein richtiges Herz war ja in meinem Koffer. Cyrus, mein erster Schöpfer, hatte es mir aus dem Körper gerissen.
    „Was machst du hier?“
    Er hob die Hände, als erwarte er einen Angriff. „Bitte, hör mir einfach zu.“
    „Glaubst du wirklich, wir hätten einander noch etwas zu sagen? Nachdem alles so gelaufen ist?“, fuhr ich ihn an. „Und gerade jetzt in dieser Situation?“
    „Ich weiß. Und es tut mir leid. Ich hätte ehrlich zu dir sein sollen.“ Seine Worte bestätigten, was ich befürchtet hatte.
    Zitternd holte ich Luft, um zu vermeiden, dass ich sofortwieder in Schluchzen ausbrach.
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