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Arto Ratamo 7: Der Finne

Arto Ratamo 7: Der Finne

Titel: Arto Ratamo 7: Der Finne
Autoren: Taavi Soininvaara
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keinesfalls verstehen können, bevor er die weiße Hand auf dem Deckel der Holzkiste im Rittersaal gesehen hatte. Und das, obwohl sein Vater ihn als Kind an jedem Unabhängigkeitstag und an jedem Geburtstag des Marschalls in diese Kirche mitgenommen hatte.
    Sutela holte aus der Sakristei eine Leiter, stellte sie an die Wand und nahm das Begräbniswappen mit der aufgemaltenHand herunter. Zweifel beschlichen ihn, als unter dem Wappen nichts als die weiße Wand zu sehen war. Doch sein Vater war ja gezwungen gewesen, das Versteck zu tarnen. Sutela stieg die Leiter weiter hinauf, durchschlug mit der Faust die dünne Mörtelschicht und fühlte Leder – es war ein Buch, ein stattlicher Band mit den Maßen einer großen Familienbibel und über zehn Zentimeter dick. Sutela fiel es schwer, das Buch mit einer Hand aus dem in die Wand gehauenen Versteck zu ziehen. Nach dem Geruch zu urteilen, war der Ledereinband jahrhundertealt. Er hatte es gefunden – das »Schwert des Marschalls«.
    Vorsichtig stieg er die Leiter hinunter, legte das schwere Buch auf eine Bank und öffnete es mit zitternder Hand. Auf dem Titelblatt lag eine etwa zwanzig Seiten lange Zusammenfassung, die sein Vater geschrieben hatte.
     
    Das »Schwert des Marschalls«/»Opferbuch«
     
    Ich gratuliere Dir, Eerik,
     
    Du hast das »Schwert des Marschalls« gefunden. Ich brauche keinen Dank mehr, wahrscheinlich ruhe ich schon in der Erde dieser Kirche. Es genügt, dass Du spätestens mit diesem Brief erfährst, warum ich Dich so erzogen habe: Ich wollte Dich für diesen Augenblick ausbilden und vorbereiten. Ich habe in meinen sechs Briefen mit den Hinweisen schon alles Wesentliche erzählt, mit zwei Ausnahmen: Die Patriarchen von Moskau und ganz Russland haben alle Ergänzungen des »Opferbuchs« nach 1944 an mich geschickt, weil ich nicht bereit gewesen war, der Kirche das Dokument zurückzugeben. Und all unsere Präsidenten nach dem Krieg bis hin zu Kekkonen haben sich mit mir beraten, bevor sie das »Schwert des Marschalls« benutzten. Alle Geschichten in meinen Briefen sind wahr, ich habe sie erzählt, um Dich zu motivieren, die Suche fortzusetzen.
    Das »Schwert des Marschalls« und der größte Teil der Anhänge, mit denen die Stichhaltigkeit seines Inhaltes bewiesen wird, sind natürlich in Russisch geschrieben, aber ich habe für Dich eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Geheimnisse des Dokuments angefertigt. Ich empfehle Dir, jetzt unverzüglich das Studium des Russischen aufzunehmen, das Du in Deinem jugendlichen Trotz damals abgelehnt hast. Gib niemals auch nur den kleinsten Teil dieses Dokuments irgendjemandem zum Übersetzen.
     
    Otto Forsman.
     
    Eerik Sutela war so gespannt, dass es ihm fast den Atem nahm. Sein Vater hatte kurz die wichtigsten Ereignisse aus der Amtszeit jedes Oberhauptes der russisch-orthodoxen Kirche zusammengefasst. Die erste Eintragung im »Opfer buch « stammte von Metropolit Filip aus dem Jahre 1570 und beschrieb, wie die Soldaten Iwans des Schrecklichen fast die gesamte Bevölkerung der Stadt Nowgorod abgeschlachtet hatten – hunderttausend Menschen. Die zweite Eintragung schilderte gleich im nächsten Jahr die Belagerung Moskaus durch die Tataren – zweihunderttausend tote Russen. Bluttaten der Zaren, Morde an russischen Bauern, Folterungen von Männern des Glaubens … vierundzwanzigtausend tote Russen … sechzehntausend Opfer … Die blutige Geschichte Russlands wurde vor Sutelas Augen ausgebreitet. Er sprang von einer entsetzlichen Zahl der Todesopfer zur nächsten, bis er innehielt:
     
    Stefan Jaworski, Erzbischof von Rjasan:
    Das erste Mal setzte Russland eine biologische Waffe unter Peter dem Großen 1710 im Großen Nordischen Krieg gegen seinen schwedischen Feind ein. Das Heer des zaristischen Russlands warf die Leichen von an den Pocken gestorbenen Soldaten mit Katapulten nach Tallinn in das Lager der schwedischen Truppen.
Die Pest und der Krieg töteten über die Hälfte der Einwohner von Estland und Lettland, dreihundert- bis fünfhunderttausend Menschen. In Finnland starben fast zehntausend Menschen an der Pest.
     
    Sutelas Augen glitten weiter von einer Seite der Zusammenfassung zur nächsten, er überflog die Aufzeichnungen, es hätte Stunden gedauert, alle Berichte über Völkermord zu studieren. Dann machte er halt bei den nächsten großen Zahlen:
     
    Filaret, Vorsitzender des heiligen Synods:
    Schockiert vom Dekabristenaufstand, den Revolutionsjahren in Europa und den Unruhen in Russland,
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