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Arto Ratamo 7: Der Finne

Arto Ratamo 7: Der Finne

Titel: Arto Ratamo 7: Der Finne
Autoren: Taavi Soininvaara
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Gefängnis, weil ich diesen Russen getötet habe?«
    Ratamo überraschte die Frage. »Da muss man abwarten, wie das Gericht die Sache sieht. Dieser Bogulow hätte dich und Sutela wahrscheinlich umgebracht, wenn er noch dazugekommen wäre. Wenn du lediglich wegen Notwehrüberschreitung verurteilt wirst, kann es gut sein, dass dunur eine Strafe auf Bewährung bekommst. Aber ich bin natürlich kein Jurist.«
    Taru wirkte erleichtert. »Ich müsste so viele Menschen um Verzeihung bitten. Vor allem Eerik. Habt ihr gestern miteinander geredet?«
    Ratamo schüttelte den Kopf. »Ihr werdet euch ja spätestens dann treffen, wenn dein Prozess beginnt.«
    »Vielleicht ist es besser, ich melde mich nicht gleich bei Eerik, sondern lasse erst mal ein wenig Zeit vergehen. Es gibt noch so viele andere Dinge zu erledigen. Was wird mit Leo passieren, da die russische Kirche dieses verdammte Buch nun nicht bekommen hat? Und wie …«
    Ratamo hörte sich Taru Otsamos Sorgen an und lächelte mitfühlend, bis er selbst zu Wort kam und ihr sagte, er werde jetzt Urlaub machen. Als er auf den Gang hinaustrat, wäre er um ein Haar von dem jungen Rollstuhlraser über den Haufen gefahren worden. Die von der Begegnung mit Taru Otsamo ausgelösten widersprüchlichen Gefühle verschwanden auf einen Schlag, als die Pendeltür am Ende des Flurs aufschwang und Paula an der Hand ihres Großvaters hereinkam. Zumindest war das Mädchen nicht zur Waise geworden.

57
    Askainen, Sonntag, 20. August
    Eerik Sutela betrachtete den Grabstein seines Vaters aus Granit, es schien so, als schwebte das »O Finnland, teures Vaterland«, das die Kriegsveteranen gestern bei der Beerdigung geschmettert hatten, immer noch über dem Friedhof der Kirche von Askainen. Er hatte die ganze Woche in seinem Ferienhaus auf der Insel Livonsaari über den Tod seines Vaters, den Albtraum im Rittersaal und Taru Otsamo nachgedacht. Was den Tod seines Vaters anging, war Sutela bei seinen Überlegungen gut vorangekommen, die Verbitterung war endlich ganz gewichen, anscheinend hatte er seinem Vater verziehen. Jetzt verstand er den Diktator, der ihn als Kind zu spartanischer Disziplin gezwungen hatte, und er sehnte sich nach dem Mann, der ihn mit dem leidenschaftlichen Interesse für die Geschichte infiziert und dafür ausgebildet hatte, das »Schwert des Marschalls« zu finden. Und der einen einzigartigen Plan zur Rettung dieses unermesslich wertvollen Dokuments ausgearbeitet hatte. Er hätte viel dafür gegeben, wenn er noch mit seinem Vater reden könnte, wenigstens einmal. Zu viel war ungesagt geblieben.
    Die Zeit war gekommen. Sutela ging an der Begräbniskapelle der Familie Mannerheim vorbei, an deren Tor Thuja-Lebensbäume wie Wachsoldaten standen. Die aus Steinen und Ziegeln gebaute weiße Kirche von Askainen mit ihrem steilen Dach sah eher aus wie eine deutsche und nicht wie eine finnische Dorfkirche. Sie war 1653 als Kapelle für den Gutshof Louhisaari errichtet worden, der sich lange im Besitzder Familie Mannerheim befand. Er war der Geburtsort von Marschall Mannerheim und Otto Forsmans Lieblingsgebäude in Finnland. Deshalb stand Sutela jetzt hier.
    Niemand war ihm gefolgt, sagte er sich immer wieder. Er hatte sich getreu an die Anweisungen seines Schwiegervaters gehalten. Allerdings hatte ihm Derek dringend empfohlen, noch eine oder zwei Wochen zu warten, aber Sutela wäre nicht imstande gewesen, den bevorstehenden Augenblick auch nur einen Tag weiter hinauszuschieben.
    Sutela öffnete die schwere, niedrige Holztür und betrat die Kirche: Durch die rautenförmigen, in Bleirahmen gefassten Scheiben der uralten Fenster flutete das Sonnenlicht herein. Er ging in aller Ruhe durch den Kirchensaal und betrachtete die Kanzel im Barockstil, das große Holzkruzifix, den Grabstein des im Keulenkrieg siegreichen Admirals Klaus Fleming mit den eingemeißelten gekreuzten Schienbeinen und die großen Familienwappen an den Wänden der Kirche. An der Nord- und Südwand waren acht hölzerne Begräbniswappen befestigt, die früher beim Trauerzug hinter dem Wappen des Verstorbenen getragen wurden. Sein Blick richtete sich auf ein schaufelblattgroßes blaues Begräbniswappen an einer zwei Meter langen Holzstange. In die Mitte des Wappens war eine weiße Hand gemalt.
    Sutelas Herz schlug so heftig, dass die Brusttasche seines Hemdes zitterte.
Die Wahrheit liegt hinter der Hand
, die Worte in dem Brief seines Vaters nach London kreisten in seinem Kopf. Der Hinweis war genial, er hätte ihn
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