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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5
Autoren: Kristen Simmons
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so als würden sie meine Anwesenheit gar nicht erfassen. Ich lockerte meinen Griff, ließ seinen Arm aber nicht los.
    »Was meinen Sie mit ›Arrest‹?« Meine Mutter versuchte immer noch, das Geschehen zu verarbeiten.
    »Das ist wohl ziemlich offensichtlich, Ms Whittman.« Batemans Ton klang herablassend. »Sie haben sich der Nichteinhaltung der Moralstatuten schuldig gemacht und werden nun von einem Senior Officer des Federal Bureau of Reformation verurteilt.«
    Ich kämpfte gegen Conners festen Griff um Moms Schulter. Er zog uns beide hinaus ins Freie. Ich bat ihn aufzuhören, aber er beachtete mich gar nicht. Dann packte Bateman die andere Schulter meiner Mutter und zerrte sie die Stufen hinunter. Conner ließ für einen Moment ihren Arm los, um mich zur Seite zu stoßen, woraufhin ich mit einem Aufschrei stürzte. Das Gras war kalt und feucht, durchnässte meinen Rock an der Hüfte, aber in meinem Gesicht und meinem Hals brannte das Blut. Beth hastete zu mir.
    »Was ist hier los?«, rief eine Stimme.
    Ich blickte auf und sah Mrs Crowley, unsere Nachbarin, die eine Jogginghose trug und sich in einen Schal gewickelt hatte. »Lori! Ist alles in Ordnung, Lori? Ember!«
    Ich sprang auf. Meine Augen schossen zu dem Soldaten, der auf der Straße gewartet hatte. Er hatte einen athletischen Körperbau und gegeltes, blondes Haar mit einem säuberlichen Seitenscheitel. Seine Zunge glitt hinter geschürzten Lippen über seine Zähne, ein Anblick, der mich daran erinnerte, wie Sand verrutschte, wenn eine Schlange unter ihm dahinkroch.
    Er kam direkt auf mich zu.
    Nein! Mein Atem kratzte in meiner Kehle, und ich kämpfte gegen das dringende Bedürfnis, einfach wegzulaufen.
    »Fassen Sie mich nicht an!«, kreischte meine Mutter.
    »Ms Whittman, machen Sie es nicht schlimmer als unbedingt nötig«, entgegnete Bateman, und mein Magen verkrampfte sich angesichts der Teilnahmslosigkeit, die aus seinem Ton sprach.
    »Verschwinden Sie zum Teufel noch mal von meinem Grundstück!«, forderte meine Mutter. Zorn klang durch ihre Furcht hervor. »Wir sind keine Tiere, wir sind Menschen! Wir haben Rechte! Sie sind alt genug, um sich daran zu erinnern …«
    »Mom!«, schnitt ich ihr das Wort ab. Sie würde es nur noch schlimmer machen. »Officer, das muss ein Irrtum sein.« Meine Stimme schien von weit her zu kommen.
    »Das ist kein Irrtum, Ms Miller. Ihre Akten wurden bereits auf Zuwiderhandlungen überprüft«, sagte Morris, der Soldat, der vor mir stand. Seine grünen Augen funkelten. Er kam mir langsam zu nahe.
    In einem Sekundenbruchteil schossen seine eisenharten Fäuste vor und umfingen meine beiden Handgelenke. Ich bockte, zog die Arme zurück bei dem Versuch, ihn abzuschütteln. Er war stärker und zerrte mich dicht an sich heran, sodass unsere Körper aufeinanderprallten. Mir wurde die Luft aus den Lungen gepresst.
    Für eine Sekunde sah ich den Ansatz eines spöttischen Lächelns in seinem Gesicht. Seine Hände, die meine Unterarme umklammerten wie Schraubstöcke, glitten hinter meinen Rücken und zogen mich noch fester an ihn heran. Ich wurde von Kopf bis Fuß steif.
    Eine Warnung schrillte in meinem Kopf. Ich versuchte, mich zu befreien, aber das schien ihn nur noch mehr anzuheizen. Der Kerl genoss , was er tat. Sein Griff war so hart, dass meine Hände vor Taubheit zu kribbeln anfingen.
    Irgendwo an der Straße wurde geräuschvoll eine Autotür zugeschlagen.
    »Aufhören!«, presste ich hervor.
    »Loslassen!«, brüllte ihn Beth an.
    Conner und Bateman zerrten meine Mutter fort. Morris’ Hände umfingen immer noch meine Handgelenke. Ich hörte nichts mehr außer dem Klingeln in meinen Ohren.
    Und dann sah ich ihn.
    Sein Haar war schwarz und glänzte in den letzten Resten des Sonnenlichts. Kurz war es jetzt, so sauber geschnitten wie das der anderen Soldaten, und seine Augen, scharf wie die eines Wolfs, wirkten so dunkel, dass ich die Pupillen kaum erkennen konnte. JENNINGS stand in perfekten, goldenen Lettern in Brusthöhe auf seiner gebügelten Uniform. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich ihn so ernst erlebt. Er war kaum wiederzuerkennen.
    Mein Herz schlug hastig, furchtsam, aber es schlug. Nur weil er hier war. Mein Körper hatte ihn gespürt, ehe mein Geist ihn erkannt hatte.
    »Chase?«, fragte ich.
    Ich dachte an so viele Dinge gleichzeitig. Trotz allem wollte ich zu ihm laufen, wollte, dass er mich in den Armen hielt wie in der Nacht, bevor er gegangen war. Doch gleich darauf kehrte der Schmerz, den mir seine
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