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Arrivederci amore, ciao

Arrivederci amore, ciao

Titel: Arrivederci amore, ciao
Autoren: Massimo Carlotto
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schien. Sonst wäre der andere Arm auch fällig gewesen, und ich hätte Flora vergessen können, genau wie die zwanzig Millionen Lire, die ich irgendwann von ihrem Mann kassieren wollte.
    Am nächsten Abend sahen mich die Tänzerinnen zufrieden und mit verächtlichem Lächeln an. Um für Ruhe und Ordnung zu sorgen, musste ich eine Szene im Hinterzimmer hinlegen und ein paar Cremedöschen an die Wand pfeffern.
    Wieder verdiente ich nur zweihundert Scheine pro Abend, und die Aussicht darauf, mit leeren Taschen dazustehen, zwang mich zu raffinierteren Lösungen. Trotz aller Gedanken an Flora. Diese Frau hasste mich. Nie im Leben würde sie freiwillig mit mir ins Bett gehen. Genau das machte mich scharf. Ich zwang mich, bei der Arbeit nicht an sie zu denken, und bald hatte ich meine Finanzen wieder im Griff. Der Inhaber einer Werkstatt, in der falsche Florentiner Spitzen hergestellt wurden, bat mich um Hilfe beim Einschleusen einer Gruppe bulgarischer Stickerinnen. Das war kein Problem. Er zahlte fürstlich. Das Gerücht machte die Runde, dann brauchten ein paar andere Geschäftsleute, die im Auftrag einer aus dem Fernsehen bekannten Jeansmarke Hosen nähten, Arbeitskräfte aus China. Es ging darum, einen Lieferwagen von Mailand nach Treviso zu fahren, und der Umschlag, den ich mir als Vorauszahlung geben ließ, war prall mit Fünfhunderttausendern gefüttert. Der Inhaber einer Fischzucht beauftragte mich, den Teich eines Konkurrenten zu vergiften. Als ich die Kanister ausleerte, fing das Wasser an zu brodeln, und tote Forellen trieben an die Oberfläche. Ich machte immer alles mit Ruhe, Angst hatte ich nie. Ich dachte nur an das Geld.
    Im Blue Sky verkehrten natürlich allerlei Kriminelle. Italiener wie Ausländer. Aber mit diesen Leuten wollte ich nichts zu schaffen haben, ich begegnete ihnen höflich, aber distanziert. Trotzdem hatte ich ein Auge auf sie, und bald war mir klar, dass ehrbare Bürger und Gauner sich hervorragend ergänzten. Häufig war ich Zeuge, wenn sie miteinander Geschäfte machten, vor allem in Versicherungsdingen:
    Scheunenbrände, Diebstahl aus Lastern, Raub. Verbrechen oder Unfälle, bei denen Waren verloren gingen, die es nur auf dem Papier gab. Die Ordnungshüter kontrollierten das Lokal, aber auch sie bekamen ein schönes Stück vom Kuchen ab. Der Chef versorgte sie mit Handgeld und Informationen, das war seine Art, das zu managen. Das erste richtige Geld machte ich, indem ich einen Familienvater reinlegte, der ganz wild auf die Tänzerinnen war, zu seinem Unglück aber mit seinem Gehalt als Finanzbeamter auskommen musste. Das erste Mal kam er gemeinsam mit zwei Industriellen aus der Gegend. Ich war schon vorab informiert und hatte ein paar Privatvorstellungen mit den hübschesten Mädchen arrangiert. Sofort war klar, dass dem Typen eine Dominikanerin besonders gefiel, groß und schlank. Ich organisierte dem Herrn eine Nummer im Separee. Dem Mädchen sagte ich, sie solle es ihm mit dem Mund besorgen, die beiden Begleiter würden gut dafür zahlen. Bald war er ein Stammgast. Zunächst gab er nicht mehr aus, als er sich leisten konnte, und ich musste ihm lange zureden, bis er mir glaubte, dass ich ihm zinslosen Kredit verschaffen konnte. »Das ist dasselbe, wie wenn du ein Auto auf Ratenzahlung kaufst«, lächelte ich. Schließlich gab er nach, und als die Schulden für ihn unbezahlbar waren, legten die beiden Industriellen ihm dar, wie er sich aus der Affäre ziehen konnte, indem er bei ihren Unternehmen beide Augen zudrückte. Er hatte sich genauso willig verarschen lassen wie Floras Mann. Während meiner Zeit im Blue Sky sah ich viele wie diese beiden. Dabei lief das Spiel doch mit offenen Karten. Ich habe immer gedacht, dass diese Leute, mal abgesehen von den Naivlingen und Idioten, nur darauf warteten, sich reinziehen zu lassen. Die Falle mit den Tänzerinnen oder dem Kokain war für sie die willkommene Gelegenheit, den Sprung zu machen und das Leben zu genießen.
    Das Lokal war eine Welt für sich, die nur nachts existierte und tagsüber verschwand. Mit der Zeit bekam ich Angst davor. Wenn ich hier noch lange arbeiten würde, könnte ich mich nie mehr daraus befreien. Irgendwann würde ich die echte Wirklichkeit von dieser falschen mit ihrem Zwielicht und den grell geschminkten Gesichtern der Tänzerinnen nicht mehr auseinander halten können. Als meine Ersparnisse sich auf sechzig Millionen Lire beliefen, sah ich den Moment gekommen, mich nach etwas anderem umzusehen. Nur war es nicht so
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