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Arminius

Arminius

Titel: Arminius
Autoren: Sebastian Fleming
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die sich dem Augenschein durch eine ansteigende Böschung hinter dem gegenüberliegenden Ufer und dicken Säulen kräftigen Rauchs entzog, als hätten die Barbaren im Hinterland gewaltige Feuer entzündet.
    »Komm, Galerius, komm, mein Sohn! Kommt!«, befahl der Feldherr, und Julius spürte die Zufriedenheit und den Stolz des Vaters. Der sprang derweil vom Pferd, band den Helm mit dem prachtvollen Federbusch ab, drückte ihn seinem Adjutanten in den Arm und lief zum Ufer. Galerius, der Centurio und Julius taten es ihm gleich. Sie knieten nieder und schöpften mit beiden Händen Wasser, das sie sich über den Kopf laufen ließen. Es war kühl und frisch, frischer als alle römischen Wasser, die Julius kannte. Dann tranken sie es in vollen Zügen aus ihren hohlen Händen.
    Als Julius aufschaute, entdeckte er ein Boot, das gerade vom jenseitigen Ufer abstieß. Instinktiv blickte er zum Vater hinüber. Der ließ das Schiffchen, das von vier Jünglingen gerudert wurde, nicht aus den Augen und richtete sich auf. Am Bug stand ein sehr großer Mensch. Ein Riese, argwöhnte Julius, und ihm wurde bang ums Herz. Eine dunkle Wolke schob sich vor die Sonne. Vom jenseitigen Ufer erklang ein ohrenbetäubendes Konzert von Trommeln und Luren. Dem Getöse nach zu urteilen, bliesen und trommelten dort Hunderte von Menschen! Wenn sie zu einer Streitmacht gehörten, dann zählte diese leicht fünfzig-bis sechzigtausend Kämpfer.
    Julius wurde vor Aufregung abwechselnd rot und blass. Sollte es hier an der Albis zur Entscheidungsschlacht gegen die Barbaren kommen? Geschah endlich das, worauf der Knabe schon so lange hoffte? Wie hatte doch sein Onkel Tiberius immer wieder zu ihm gesagt: »Im Krieg ist die größte Tugend die Geduld. Nur wer warten kann, wird auch siegen. Harre auf den Wink der Parzen, denn sie, nicht die Menschen, weben das Schicksal.«
    Furchterregend erklangen die Musikinstrumente, als wollten sie den Römern den Untergang verkünden, doch Drusus hatte für den Lärm nur ein höhnisches Lachen übrig. »Mögen sie blasen und trommeln, wie sie wollen, heute Abend werden ihre Instrumente verwaist sein!« Julius bewunderte die Kühnheit seines Vaters, die ihm Zuversicht gab. Endlich gelang es ihm, Einzelheiten an dem Riesen wahrzunehmen, der wohl weit über drei, fast vier Ellen maß und damit seinem Vater um zwei Köpfe überragte. Dabei galt Drusus für römische Verhältnisse als groß. Das Staunen des Knaben ging in Schrecken über, als er entdeckte, dass jenes geheimnisvolle Wesen einen Wolfskopf trug und bunte Felle seinen riesigen Körper einhüllten. Eberzähne in verschiedenen Farben und Gebein in unterschiedlicher Größe zierten die Kleidung. Die rechte Hand der Gestalt umklammerte einen Knochen, in dem der entsetzte Knabe den Unterschenkel eines Menschen erkannte. Julius fröstelte mit einem Mal. Wer war diese Erscheinung? Ein Magier? Ein böser Geist? Ein Gott? Einer von ihren Göttern?
    Am gegenüberliegenden Ufer fielen nun bellende Stimmen in die Musik der Trommler und Pfeifer ein. Julius hielt das für den Gesang der Barbaren, denn für ihn klang die Sprache dieser Leute wie das heisere Kläffen eines Hundes. Der Stimmensturm erreichte eine solche Gewalt, dass Julius glaubte, nicht der Wind, sondern die Sänger brächten den Fluss in Wallung.
    Kurz vor dem Ufer hielten die Ruderer das Boot an. Um die starr gehaltenen Ruder kräuselte sich weiß das blaugrüne Wasser. Wie von Zaubermund befohlen, verstummten mit einem Mal die Sänger, die Bläser und die Trommler. Die plötzliche Stille wirkte gespenstisch. Sie schrie geradezu.
    Julius, der ängstlich hinter der kräftigen Statur des Vaters Schutz gesucht hatte, lugte immer wieder hervor und bemerkte, dass der Wolfskopf nur aufgesetzt war. Das beruhigte ihn jedoch keineswegs, denn das Fabelwesen stellte sich als eine Frau heraus. Ein Weib von solcher Größe! Der Junge hatte von einer schrecklichen Zauberin im parthischen Bergland gehört, die Menschen verspeiste, und auch der ägyptischen Göttin Isis ging man besser aus dem Weg.
    Ihr Gesicht hatte die Geheimnisvolle geschwärzt und vier weiße Streifen von innen nach außen gezogen. Langsam und kraftvoll hob sie die Hand, in der sie den Menschenknochen hielt. Im gleichen Moment donnerte es, und Drusus zuckte zusammen. Ein Rabe flog so knapp über den Kopf des Feldherrn hinweg, dass dieser den Flügelschlag spürte, und setzte sich auf die Schulter der Priesterin.
    Wolf und Rabe, davon hatte Julius der
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