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Armegeddon Rock

Armegeddon Rock

Titel: Armegeddon Rock
Autoren: George R.R. Martin
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verbessern wollte, und Sandy wußte, daß es nicht so war, daß es nie so gewesen war. Er nahm das Fernglas wieder auf und sah hindurch, diesmal nicht auf die Bühne, sondern in die Menge. Er wußte nicht, wonach er suchte. Er fand nur Gesichter. Ein dicker Mann mit einem angetörnten Lächeln. Eine toll aussehende junge Frau, die auf den Schultern ihres Freundes ritt, die Augen geschlossen. Eine andere Frau, unscheinbar und dick, die jetzt tanzte, ganz für sich, aber nicht allein, denn sie war ein Teil von allem, ein Teil der Menge, ein Teil der Musik und ein Teil der Nacht. Ein Motorradfreak – vielleicht derselbe, der ihm vorhin gedroht hatte, ihn aufzuschlitzen –, der linkisch zu der Musik auf und ab hüpfte; die Spannung war aus seinem Gesicht gewichen. Gut und schlecht, alt und jung, männlich und weiblich, glücklich und traurig. Gesichter. Menschen.
    Es war ein gutes Konzert, dachte er stumpf, als er die Gläser senkte. West Mesa war damals 1971 ein großartiges Konzert gewesen, erinnerte er sich; alle hatten sie darin übereingestimmt, es war phantastisch gewesen, bis dieser Schuß aus der Dunkelheit abgefeuert worden war, bis Hobbins in Blut und Schweigen gestorben war, ohne seinen Song vollendet zu haben. Und jetzt sollte es wieder geschehen, und er mußte auf den Abzug drücken. Oder nicht? Oder nicht? Der Gedanke machte ihn krank. Da draußen, unter ihm, applaudierten sie wieder, zu Hunderten und Tausenden, sie waren um ihre Feuer und ihre Türme geschart, sie hielten Händchen und umarmten einander und tanzten miteinander und sangen und pfiffen und klatschten, während er hier oben lag, allein. Der Song war zu Ende, erkannte Sandy undeutlich. Und jetzt setzte die Musik erneut ein, aber der Unterbau war härter und schwerer, und die Gitarrenlicks waren höhnisch und böse.
    Turning and turning in the widening gyre
    Aus einer halben Million Kehlen kam ein geflüstertes Versprechen, das durch die Dunkelheit seufzte.
    He’s coming!
    Hobbins legte sich in den Text, während die Gitarren sangen.
    The falcon cannot hear the falconer
    Und Sandy beobachtete ihn durch das Zielfernrohr des Gewehrs. Es sah aus, als ob Hobbins direkt zu ihm zurückstarrte, als ob diese dunkelroten Augen ihm tief in die seinen schauten, als ob Hobbins nur für ihn sang.
    The best lack all conviction, while the worst
    Oh, they’re full of passion, and intensity
    Jetzt, dachte Sandy, als ein Ozean von Menschen He’s coming! sang, lauter und lauter mit jeder Wiederholung. Aber er zog den Abzug nicht durch. Den Besten fehlt jeder Glaube. Warum zögerte er? Es würde kein Mord sein. Schließlich war Patrick Henry Hobbins 1971 gestorben. Dies war nur ein dämonischer Doppelgänger. Es war ein Toter, der da unten sang.
    Oh yes, I know, I know
    That twenty centuries of stony sleep
    Were vexed to nightmare by a rockin’ cradle
    Oh, a rock’nrollin’ cradle
    Aber was war mit Larry Richmond? Vielleicht war es Hobbins, der da sang, aber es war Richmonds Körper. Töte Hobbins, und Richmond stirbt ebenfalls. Und Hobbins… Sandy erinnerte sich aus der alten Zeit an ihn.
    Arrogant, frech, von sich selbst, seinem Erfolg und seinem Talent eingenommen, vielleicht ein bißchen abgedreht von Drogen, vielleicht gerade im Begriff kaputtzugehen… aber ein Monster? Nein. Nur ein Rocksänger, ein guter Rocksänger, kaum mehr als ein junger Kerl. Faxon hatte ihn am besten von allen gekannt, und Faxon hatte ihn geliebt.
    HE’s COMING! schrien sie.
         HE’S COMING!!
              HE’S COMING!!!
    Und die Scheinwerfer erloschen, alle bis auf einen, und Hobbins stand da, blickte auf sie alle hinaus, hinauf zu den Sternen, und er lächelte ihnen zu und sagte: »Ich bin hier.«
    »Ja«, flüsterte Sandy. Und er wußte, daß es wahr war. Aber wer war hier, wer, wer? Der Antichrist? Der Teufel? Ein Monster? Oder nur der Hobbit?
    Die Nazgûl stimmten »Prelude to Madness« an. Auf dem Turm ausgestreckt, das kalte Metall unter sich, die stampfenden Lautsprecher hinter sich, hörte und sah Sandy ihnen zu. Noch ein Song, nur noch einer. Dann würde der »Armageddon Rag« kommen, aber Edan Morse hatte gesagt, die Wiederauferstehung war eine Lüge, es würde für immer Armageddon sein, und das Blut würde nicht aufhören zu fließen. Er mußte es aufhalten. Oder nicht?
    Charlie is the joker in the deck
    Und er war Charlie. »Tut mir leid, Charlie«, hatte Hobbins in Red Rocks zu ihm gesagt, und Ananda hatte es später zugegeben, und das war
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