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Armeen Der Nacht

Armeen Der Nacht

Titel: Armeen Der Nacht
Autoren: Robert Asprin
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Streifzug durch die Stadt losritt, vergaß er alle Erinnerung an das Blut, das er vergossen, an Ehren, die er gewonnen, und an Tränen, die er geweint hatte. Denn hier war ein fortlaufender Faden, eine Gleichheit, wie Nikos Maat spürte, die bei ihm gewesen waren, seit er hier als einer von Tempus' Stiefsöhnen gedient hatte, und ihn nicht verlassen hatte — ausgenommen während der Zeit im fernen Bandara: Dieser Faden war die Spur Roxanes, der Nisibisihexe!
    So sehr war er sich ihrer Gegenwart bewußt, daß er glaubte, ihren Moschusduft in der Luft der Bierstube wahrzunehmen, während er sich einen Weg durch die vornehmen Gäste bahnte, um den Wirt zu suchen. Der Mann hatte ein Recht zu erfahren, daß der Geist seiner Tochter endlich durch Nikos Einsatz seinen Frieden gefunden hatte.
    Roxane mußte hier sein, ganz in der Nähe, das sagte ihm sein Maat — aus den Augenwinkeln seines inneren Gesichts konnte er die kobaltfarbenen Spuren ihrer Magie erspähen. So, wie ein gewöhnlicher Mensch den Schatten seines Verfolgers aus den Augenwinkeln bemerken mochte, hatte Nikos Seele ihre eigene Wahrnehmungsgrenze innerhalb des durch bandaranische Ausbildung erworbenen übersinnlichen Wahrnehmungsvermögens. Das war eine Fähigkeit, die ihm gestattete, einen Menschen aufzuspüren, sich der Anwesenheit einer Person gewahr zu werden und die Art der Gefühle zu erkennen, die auf ihn gerichtet waren, obgleich er keine Gedanken zu lesen vermochte.
    Die Bierstube war frisch getüncht und mit Gästen, sowohl Männern wie Frauen, gefüllt, deren Stand in der Stadt erforderte, daß sie ihren Geschäften wie gewohnt nachgingen, ohne sich von der VFBF, beysibischer Einmischung oder nisibisischer Hexerei stören zu lassen. Hier kamen rankanische Magiergildenfunktionäre in Gewändern, die sie wie schlecht gedeckte Tische aussehen ließen, mit Karawanenmeistern und Palastpriestern zusammen. Alle hatten sie denselben Wunsch: Sicherheit für ihre Geschäfte, ohne Gefahr durch die sich bekriegenden Fraktionen; Sicherheit für sich selbst und ihre Angehörigen vor Untoten und unbedeutenderen Terroristen — Sicherheit war in Freistatt in diesen Tagen ein begehrtes Gut.
    Wenn Niko aus Bandara in die Welt kam, dachte er weniger an Sicherheit. In seinem Häuschen auf der Klippe konnte er sicher sein. Aber seine Gabe des Maats und die der tiefen Wahrnehmung waren etwas Inneres und nur für den Schüler von Nutzen. Er trug sie nicht, wie es sein sollte, in die Welt hinaus, um einem Einzelschicksal eine andere Wendung zu geben oder einer in eine falsche Richtung fließenden Strömung Einhalt zu gebieten.
    Maat zwang seinen Träger, sich seinem Gegenteil, dem Chaos, zu stellen und so viel an Unausgewogenheit ins Gleichgewicht zu bringen, wie er es vermochte. Immer schmerzte es, immer kostete es einen Preis, und immer sehnte Niko sich nach Bandara, wenn seine Kräfte aufgebraucht waren. Doch immer wurde er zu Hause ruhelos, stark und fähig. Und so zog er stets wieder in die Welt hinaus, sogar nach Freistatt, wo das Gleichgewicht nur ein gegenstandsloser Begriff, wo alles immer falsch war und wo nichts, was irgend jemand — nicht einmal ein Halbgott wie Nikos Befehlshaber Tempus — tun konnte, das auch nur annähernd dauernden Frieden zu bringen vermochte.
    Aber Frieden, so hatte Nikos Lehrer gesagt, war Tod. Irgendwann würde er ihn finden.
    Auch die Hexe Roxane war Tod. Er hoffte, sie konnte ihn nicht ebenso gut spüren wie er sie. Obgleich er sehr darauf geachtet hatte, seinen Besuch hier vor jenen geheimzuhalten, die ihn ausnutzen würden, wenn sie es vermochten, wurde Niko von Roxane angezogen wie eine Freistätter Hure von einem reichen Betrunkenen oder, falls man dem Klatsch glauben konnte, wie Prinz Kadakithis von der Beysiberin Shupansea.
    Nicht einmal die bandaranischen Kiesteiche — und auch die tiefe Meditation auf der Klippe nicht — hatten seine Seele vom Verlangen nach dem weißen Fleisch der Hexe, die ihn liebte, reinigen können.
    Nun war er wieder nach Freistatt gekommen, mit der Ausrede, Randals flüchtigem Ruf zu folgen. Aber er war hier, um sie zu sehen. Und zu berühren. Und mit ihr zu sprechen.
    Denn Niko mußte sie exorzieren, ihre Krallen aus seiner Seele lösen, sein Herz von ihr befreien. Das hatte er während seines Aufenthalts auf Bandara erkannt. Jedes Problem, auf das sich hinweisen ließ, konnte gelöst werden, hatte er gelernt. Aber da sein Problem Roxane hieß, war Katzenpfote nicht so ganz davon
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