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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5
Autoren: Jilliane Hoffman
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schließlich erwürgte.
    Der Verdächtige, dessen Kautionsverhandlung Manny hier vorbereitete, war kein Freund oder Ex-Liebhaber, kein Kollege oder ungeliebter Kommilitone von Holly. Er war weder mit ihr verwandt, noch war er sauer auf sie gewesen, soweit es Manny sah. Tatsächlich hatte Holly ihren Mörder offenbar erst am Abend ihres Verschwindens kennengelernt, eine schicksalhafte Begegnung, als sie nichts Böses ahnte. Sie war nicht beraubt worden; ihr Wagen stand noch auf dem Parkplatz des Menace, wo sie ihn stehengelassen hatte. Es gab keine irregulären Bewegungen auf ihrem Bankkonto, keine unbefugten Einkäufe mit ihren Kreditkarten. Es gab keinen Hinweis auf Drogengeschäfte oder die Verwicklung in Gang-Streitigkeiten. Die Vergewaltigung allein konnte die offenkundige Anwendung von Folter oder den gewaltsamen sexuellen Missbrauch nicht erklären. Die Verletzungen, die Holly erlitten hatte, gingen weit über das hinaus, was bei einem Vergewaltiger als «normales» Verhalten gelten würde. Selbst bei einem Vergewaltiger, der sein Opfer tötete. Ohne weitere Erläuterungen des Täters war dieser Mord einfach nicht zu verstehen, und die schrecklichste Erkenntnis zu Hollys Tod war, dass es keine Erklärung gab: Ihr Mord war vollkommen sinnlos.
    Manny warf einen Blick auf die Uhr. Verdammt. Es war schon fast zwei Uhr. Höchste Zeit, sich auf den Weg rüber ins Gericht zu machen. Bei der Anhörung arbeitete er einer verspannten, hochhackigen Staatsanwältin zu, die wahrscheinlich halb zwei meinte, als sie zwei Uhr sagte – auch wenn Manny sicher war, dass ihr Fall niemals vor drei Uhr drankäme, weil heute der lahme Steyn auf der Bank saß, der selten vor zwei vom Mittagessen kam. Und dessen Verhandlungslisten den Umfang von Harry-Potter-Romanen hatten.
    Manny kippte den Rest seines Kaffees hinunter und schob die Fotos und Berichte in die schon etwas ausgefranste Fächermappe. Es war Zeit, einen Pappkarton herauszuholen. Oder mehrere. Nach all den Jahren im Schützengraben entwickelte man ein Gefühl dafür, welche Fälle «Quickies» waren – jede Menge Beweise, kooperative Zeugen, ein belastendes Geständnis – und rasch zu einem Deal führten. Die anderen waren die Kopfschmerzfälle – schlampiger Tatort, keine Zeugen, Indizienbeweise, ein verschlossener, arroganter Mistkerl als Angeklagter. Ganz zu schweigen von den Jahren hanebüchener Berufungsverfahren, falls man den Kerl verurteilt bekam. Leider fiel Florida vs. Talbot Lunders in die Kopfschmerzsparte.
    Manny wickelte die Reste seiner Empanada in die Alufolie und warf sie über den Kopf des einzigen anderen Detectives im Mannschaftsraum hinweg, der nicht gerade Mittag machte, quer durch den Raum. Das Päckchen landete auf dem überquellenden Mülleimer neben dem Kopierer und löste eine Papierlawine aus. Mike Dickerson, ein mürrisches Faktotum, so alt wie das Gebäude selbst, warf Manny einen finsteren Blick durch die schwarze Brille zu. «Pass bloß auf, Bär», brummte er und schüttelte den Sportteil des Miami Herald in Mannys Richtung. «Du bist kein Josh Johnson.» Dann vergrub er den Kopf wieder hinter der Zeitung und lutschte weiter an seinem Sandwich.
    «Hätte ich aber werden können, Pops», sagte Manny mit einem tiefen Seufzer, als er die Papiertüte zusammenknüllte, in der die Empanada gesteckt hatte, und auch diese quer durch den Raum pfefferte. Diesmal traf er den Kopierer.
    «Sehr witzig. Ich weiß ja nicht, womit du geworfen hast in den zehn Minuten, die du bei der Juniorliga mitspielen durftest, aber ich sag dir eins, Kleiner, du kannst einfach nicht zielen.»
    «Hab dir immerhin das Toupet von der Platte geschossen.»
    Unwillkürlich griff sich Mike an den Kopf.
    «Mach dir nicht in die Hose, Pops. War nur ein Witz», sagte Manny und lachte tief. «Sitzt alles noch.»
    «Du verdammter kahler Yeti.»
    «Du solltest dich auch outen, Mikey. Viel besser als der Teppich. Die Ladys kriegen nicht genug davon – wollen dir ständig deine glatte, seidige Melone streicheln.»
    An dem Tag, als Manny der Truppe beigetreten war, hatte er sich den Kopf rasiert und diese Frisur seitdem beibehalten. Nur seine sonstige Körperbehaarung ließ er wild wuchern – auf Armen, Händen, Rücken und Brust –, womit er sich den Spitznamen Bär verdient hatte. Bis mittags wuchs ihm ein Dreitagebart, und dazu trug er einen dichten, borstigen schwarzen Schnurrbart. Die Entscheidung zur Glatze hatte jedoch nicht nur mit Eitelkeit zu tun. Zum einen schwitzte
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