Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arche

Arche

Titel: Arche
Autoren: B Morrison
Vom Netzwerk:
verängstigt, wollte aber nicht mit der Sprache herausrücken. Vielmehr bestand er darauf, sie so bald wie möglich zu treffen. Sein inständiges Bitten hatte sie schließlich dazu bewogen, einem ihrer Mitarbeiter die Aufsicht über die Grabung zu übertragen.
    Sie hatte Sam versprechen müssen, keiner Menschenseele zu verraten, warum sie Peru verließ. Um keine Zeit zu verlieren, hatte er vorgeschlagen, sollten sie sich in einem Café im zweiten Stock des Flughafenterminals treffen.

    Dilara betrat die Rolltreppe hinter einem fetten Urlauber im Hawaiihemd, der mit seinem Handgepäck den Weg blockierte und die Frau mit dem schulterlangen schwarzen Haar und der olivenfarbenen, gebräunten Haut langsam von oben bis unten musterte. Es war nicht das erste Mal, dass ein Mann ihren athletischen Körper und ihre langen Beine anstarrte. Sie warf dem Typ mit dem starken Sonnenbrand einen Blick zu, der zu besagen schien: »Das meinen Sie doch wohl nicht ernst.« Dann schob sie sich mit einem »Entschuldigung« an ihm vorbei.
    Im zweiten Stock ließ sie ihren Blick über den weitläufigen Imbissbereich wandern, bis sie Sam ausmachte, der an einem kleinen Tisch neben der Brüstung saß. Er war einundsiebzig, als sie ihn vor einem Jahr zuletzt gesehen hatte. Heute sah er eher wie zweiundachtzig aus. Sein eisgraues Haar war zwar noch immer voll, aber die Falten in seinem Gesicht waren zu Furchen geworden, und er war so bleich, als habe er tagelang nicht geschlafen.
    Bei ihrem Anblick stand er auf und winkte ihr zu. Sein Lächeln machte ihn um zehn Jahre jünger. Dilara bahnte sich den Weg zu ihm. Fest drückte er sie an sich.
    »Du hast ja keine Ahnung, wie froh ich bin, dich zu sehen.« Er hielt sie um Armeslänge von sich, um sie besser betrachten zu können. »Du bist noch immer die schönste Frau, die mir je begegnet ist. Mit Ausnahme deiner Mutter vielleicht.«
    Dilara griff nach dem Medaillon, das sie um den Hals trug. Einen Augenblick lang erlosch das Lächeln auf ihrem Gesicht, und ihr Blick verlor sich in der Ferne. Doch gleich richtete sie ihre Augen wieder auf Sam.
    »Du solltest mich sehen, wenn ich mit Dreck verkrustet bis zu den Knien im Schlamm stecke«, erwiderte sie in einem Tonfall, dem anzuhören war, dass sie aus dem Mittleren Westen der USA kam. »Dann änderst du vielleicht deine Meinung.«

    »Auch ein verstaubtes Juwel ist ein Juwel. Was macht die Archäologie?«
    Sie setzten sich. Sam trank etwas Kaffee. Er hatte auch für Dilara eine Tasse geholt, sie nahm einen Schluck, bevor sie ihm antwortete.
    »Viel zu tun. Wie immer«, begann sie. »Die nächste Station ist Mexiko. Ein interessanter Krankheitsüberträger, noch aus der Zeit vor der europäischen Kolonisation.«
    »Das klingt faszinierend. Aztekisch?«
    Dilara blieb ihm die Antwort schuldig. Sie war spezialisiert auf Bioarchäologie, einen Zweig, der sich mit den biologischen Überresten alter Kulturen befasste. Sam war Biochemiker. Deshalb war ihr Gebiet für ihn von Interesse, aber sie spürte, dass er sie nicht aus diesem Grund fragte. Er wollte Zeit gewinnen.
    Sie beugte sich vor, nahm seine Hand und drückte sie. »Nun leg schon los, Sam. Warum redest du um den heißen Brei herum? Ich musste doch wohl meinen Aufenthalt in Peru nicht vorzeitig abbrechen, nur weil du mit mir archäologische Fragen erörtern willst?«
    Sam sah sich nervös um.
    Sie ließ ebenfalls ihren Blick schweifen. Eine japanische Familie, die lachend Hamburger vertilgte. Eine einsame Geschäftsfrau zu ihrer Rechten, die etwas auf ihrem PDA eingab und dabei einen Salat aß. Hinter ihr ein paar Teenager, alle mit dem gleichen »Teens 4 Jesus«-T-Shirt, die Kurzmitteilungen verschickten.
    »Eigentlich will ich mit dir tatsächlich über Archäologie sprechen.«
    »Ach ja? Ich habe dich noch nie so außer Fassung erlebt wie bei deinem Anruf.«
    »Das liegt daran, dass ich dir etwas Wichtiges mitzuteilen habe.«

    Ihr stockte der Atem.
    »O mein Gott! Du bist doch nicht etwa krank?«
    »Nein, nein, Liebes. Mir ging es nie besser, wenn man von einer kleinen Schleimbeutelentzündung absieht.«
    Dilara seufzte vor Erleichterung.
    »Nein«, fuhr Sam fort, »ich habe dich hergebeten, weil du der einzige Mensch bist, dem ich vertraue. Ich brauche deinen Rat.«
    Bei diesen Worten stand die Geschäftsfrau neben ihnen auf. Dabei rutschte ihr die Handtasche vom Schoß und fiel Sam vor die Füße. Als die Frau sich danach bückte, stieß sie ihren Salatteller zu Boden.
    »Entschuldigung«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher