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Apocalypsis 3.01 (DEU): Ende. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)

Apocalypsis 3.01 (DEU): Ende. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)

Titel: Apocalypsis 3.01 (DEU): Ende. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
Autoren: Mario Giordano
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Kälte, die allmählich durch den Neoprenanzug sickerte wie ein schleichendes Gift, und den Druck auf ihren Lungen. Dabei tauchte sie gar nicht tief, trieb nur dicht unter der Wasseroberfläche und ließ sich von der Dunkelheit einsaugen. Ganz und gar aufsaugen, verschlingen, verdauen. Das wär’s, dachte sie. Sich einfach im Meer auflösen wie Salz, vergehen, endlich Ruhe, Schluss mit den Träumen.
    Mit gleichmäßigen Flossenschlägen bewegte sie sich weiter durch die vollkommene Schwärze des Südpazifiks und spürte, wie das Gewicht der Welt an ihr zog. Der kleine nächtliche Ausflug war nicht ganz ungefährlich. Obwohl es seit Ewigkeiten – nach Jims Zeitrechnung hieß das seit fast drei Monaten – keine Haiattacke mehr gegeben hatte, wimmelte das Meer nur so von den Biestern in allen Größen. Ganz zu schweigen von den Bluebottle-Quallen, die nachts gerne auch ins ufernahe wärmere Wasser zogen. Nicht so tödlich wie Würfelquallen, aber die winzigste Berührung mit einer ihrer Nesselfäden bedeutete schon zwanzig Minuten Agonie und einen lebenslangen allergischen Hautausschlag. Nicht zu vergessen die Stachelrochen, die sich zu Dutzenden in den kleinen Becken zwischen den Uferfelsen tummelten. Das Meer vor der Ostküste Australiens war ein gefährlicher Ort, überhaupt der ganze verdammte Kontinent. Und wenn die Tiere einen nicht vergifteten, besorgten es die Träume. Oh ja, die Träume. Man konnte verrückt werden, einfach verrückt. Nur hier, im vollkommenen Dunkel, herrschte Ruhe, schwiegen die Stimmen, erloschen die Bilder, die Rahel quälten, sie wach hielten und allmählich um den Verstand brachten.
    Sie hatte immer noch genug Luft, bewegte sich nun mit kräftigen Stößen weiter durchs Wasser, allein wie in einem Universum kurz vor dem Urknall. An den Abgrund und die Schatten der Haie unter sich dachte sie nicht mehr, sie konzentrierte sich ganz auf die Bewegung ihrer Arme und Beine, die kräftig waren vom täglichen Sportprogramm und die Jim dennoch zu dürr fand. Aber Jim hatte auch an allem und jedem etwas herumzunörgeln. Sie wusste, dass er im Grunde drauf stand. Auf ihren durchtrainierten Körper ebenso wie auf ihre kleinen Brüste, auf ihre sonnenverbrannten Schultern und auf ihre Jugend. Nur auf ihre Bilder stand er nicht. Die Malerei war für Jim nicht mehr als ein peinliches Anhängsel einer ansonsten fast perfekten Beute. Denn das war sie: Jims Beute, ein kostbarer Fang, seine schillernde Sirene, die an Land austrocknete, sich die Füße blutig tanzte und vor seinen Augen zugrunde ging. Nur allzu bereitwillig hatte sie den Köder der sicheren Existenz geschluckt. Rahel Kannai war vierunddreißig Jahre alt und stand nun mal auf deutlich ältere Männer. Sie hatte eine Reihe von gleichaltrigen Liebhabern gehabt, darunter aber keine nennenswerten Beziehungen. Seit sie achtzehn war, hatte sie keine eigene Wohnung mehr gehabt, sie reiste viel, kam bei den Jims und Hanks und Bobs unter, die sie unterwegs auflasen wie einen niedlichen Straßenköter, dem man so lange Unterschlupf gewährt, bis er anfängt zu beißen und auf die teuren Teppiche zu pissen. Oder eine Abtreibung braucht. Freunde hatte sie keine.
    Im ersten Jahr hatte Rahel sich noch eingeredet, dass Jim verrückt nach ihr war und alles für sie tun würde, sich die Haut in Streifen schneiden, durch einen Ozean aus Säure waten, zurück nach Sydney ziehen, einfach alles. Sogar noch ein Kind zu kriegen. Falsch gedacht. Jim hatte sie verschlungen und wieder ausgespuckt und dann mit einem Surfbrett dekoriert in ein Regal gestellt, wo seine Kumpels und ganz Bawley Point sie bewundern konnten, bis Jim irgendwann genug haben würde von ihren kleinen Brüsten, ihrem Farbgekleckse, ihren Aboriginefreunden, ihren spontanen tagelangen Ausflügen in den Busch und den Gerüchten im Ort. Und ihrer nächtlichen Sauferei, seit sie nicht mehr schlafen konnte.
    Geboren in Tel Aviv, hatte sie den größten Teil ihres Lebens in Australien verbracht, die ersten Jahre in Darwin, dann Sydney. Ihre Eltern hatten Israel Ende der Achtziger verlassen, weil sie die Schnauze voll hatten von Autobomben, Intifada und Wirtschaftskrise. Rahels Mutter sowieso. Sie gehörte zur »Zweiten Generation«, den Kindern von Holocaustüberlebenden, die unter dem Trauma ihrer Eltern litten. Eine ängstliche, misstrauische Generation ohne Identität, die die Namen ihrer ermordeten Onkel und Tanten trug und die sich schuldig fühlte und vom Lager träumte, das sie nie erlebt
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