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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe
Autoren: Michael Tietz
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insgesamt vier oder fünf Metern hinter sich, da gab es einen ersten Ruck und Max konnte die Füße nach vorn strecken. Er biss sich auf die Lippe, um nicht laut loszuschreien, streckte die Beine und legte sich auf den Rücken. Eine ganz kurze Pause nur, ein paar Sekunden, mehr nicht. Der Schmerz ließ nach und Alex kämpfte gegen Meter drei.
    Max rollte sich auf die Seite und schabte weiter, er spürte, wie die Fessel kapitulierte und gerade, als Alex einen kleinen Vorsprung erreichte, sich ausruhte und einen Teil des Seiles nachzog und neben sich auf die winzige Stufe legte, gerade in diesem Augenblick schenkten die Spinnen Max zwei neue Hände.

    Hasso kannte Kinder und er wusste, dass diese kleinen Herrchen schlecht waren. Ein gutes Wort? Fehlanzeige. Ein Leckerli oder ein kurzes Spiel mit seinem Ball? Ebenso wenig. Wenn, dann hatten sie einen Stein übrig oder einen Schneeball, aber niemals etwas Gutes. Als jetzt Alex’ Kopf in der von dem Hund geschaffenen Öffnung erschien, sprang er auf. Er stellte sich vor sein schlafendes Herrchen, senkte den Kopf und knurrte.
    Mit vielem hatte Alex gerechnet, als er den Kopf in seine alte Welt steckte, aber nicht mit einem in seine Richtung springenden Hund. Alex schrak zurück, seine Füße verloren den Halt. In letzter Sekunde bekam er eine in das Loch ragende Wurzel zu fassen, er strampelte, kämpfte, das Seil zerrte an ihm, als habe es sich mit dem Berg verbündet und wolle ihn wieder nach unten reißen. Unter ihm schrien Kasimir und Timi und vor ihm zog Seilers Bewacher die Lefzen nach oben, blieb aber bei seinem Herrchen.
    Alex’ Fuß fand den alten Vorsprung im Fels. Die Wurzel weiter in der Hand, zog er den Kopf zurück.
    » Seiler liegt hier im Gras«, rief Alex nach unten.
    » Schläft er?«, fragte Timi.
    » Ich weiß nicht, sein Hund steht vor ihm und knurrt.« Alex, nur wenige Zentimeter von der Freiheit entfernt, wusste nicht, was er tun sollte, wenn überhaupt, besaß sein Körper noch Kraft für ein paar Minuten, keinesfalls mehr. »Hallo, Herr Seiler!«, schrie er in der Hoffnung, den Alten so wecken zu können, aber Hassos Knurren blieb die einzige Antwort.
    Abstürzen oder von Seilers Hund angefallen werden, so lauteten die beiden vor ihm liegenden Alternativen. Alex entschied sich für Letztere, so wäre wenigstens einer von ihnen aus dem Berg und damit auch das Seil.
    Mit der freien Rechten zog Alex das Seil Stück für Stück zu sich und warf es nach draußen – Hasso fletschte die Zähne. Fast fünf Meter unter Alex standen Kasi und Timi und hielten die Luft an. Es existierte kein dritter Weg, kein Wunder an Absturz und Hund vorbei, es ging nur so. Alex holte Luft, dann folgte sein rechter Arm dem Seil nach draußen. Mit geschlossenen Augen steckte er den Kopf in die Freiheit, quetschte den linken Arm durch das Loch, stützte sich ab und zog die Beine nach. Hassos Knurren wandelte sich in wildes Kläffen und erst jetzt, während er sich zur Seite rollte, wagte Alex einen weiteren Blick.
    Gernot Seiler lag gute vier, fünf Meter entfernt auf dem Rücken im Gras, sein Hund stand vor ihm. Alex sah die offenen Augen des alten Mannes, einen offenen Mund und wusste, dass Seiler tot war. Und Hasso beschützte sein Herrchen.
    » Ist gut, pst, ich tu dir doch nichts«, flüsterte Alex und richtete den Oberkörper auf. Mit dem Loch zwischen sich und dem Hund, beruhigte sich der Herzschlag des Jungen ein wenig, aus dem Innern des Berges drang Jubelgeschrei und Alex spürte zum ersten Mal seit Tagen wieder die Sonne auf seiner Haut. Aber weder nahm er sich die Zeit, diesen ersten Sonnenstrahl bewusst zu empfangen, noch verschwendete er Gedanken an Gernot Seilers Schicksal, wirklich wichtig erschien ihm einzig die Tatsache, dass Seilers Hund nicht über ihn hergefallen war, sondern, wenn auch mit gefletschten Zähnen, im Dunstkreis seines Herrchens blieb. Hasso bellte, knurrte und stellte die Nackenhaare auf, angreifen aber wollte er ganz offensichtlich nicht. Für das Tier gab es Wichtigeres als dieses Kind, ja sogar Wichtigeres als hinunter zur Steina zu rennen und diesen unsäglichen Durst zu löschen. Er hatte in den zurückliegenden Stunden seinem Herrn mehr als einmal das Gesicht abgeleckt, ihn mehr als einmal angestupst und zum Gehen aufgefordert – ohne Erfolg. Er war bei ihm geblieben und er würde auch weiterhin bleiben, egal wie viele kleine Herrchen noch aus diesem Loch da kletterten.
    Alex wischte sich eine Träne ab und Hasso setzte sich neben
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