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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
Autoren: Adam Nevill
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Flur war vollgepackt mit Stapeln alter Zeitungen, Zeitschriften und prall gefüllten Plastiktüten. Apryl warf einen Blick in eine der Tüten direkt neben der Garderobe. Sie war bis oben hin gefüllt mit Werbeprospekten, deren farbige Hochglanzseiten wie Eindringlinge aus einer anderen, moderneren Welt wirkten, die hier in dieser Umgebung jedoch keine Chance hatte. Umso eigenartiger war, dass sie hier aufbewahrt worden waren wie Beutestücke.
    Unter den Sohlen ihrer Turnschuhe knirschte der Teppich. Im Licht der trüben Lampen, in deren Glasschirmen sich tote Motten angesammelt hatten, konnte sie erkennen, dass der Teppich völlig abgetreten war. Das einstmals komplizierte Muster aus Rot und Grün war vor allem in der Mitte abgewetzt und hatte die Farbe von altem Stroh angenommen, so oft war ihre Großtante hier hin und her gelaufen.
    Die Möbel in dem lang gestreckten Flur waren garantiert antik. Zwischen den Zeitungsstapeln konnte man dunkle, glänzende Holzbeine erkennen. Die bestickten Kissen, die auf den Sesseln lagen, wurden teilweise von ausgeblichenen Telefonbüchern verdeckt. Zwischen den Müllsäcken lugten Holzflächen mit Intarsien, Dekorationen und Perlmutteinlagen sowie mit üppigen Mustern verzierte Milchglasscheiben hervor, die sich vor der schäbigen Umgebung zu verstecken schienen. Apryl hatte nicht viel Ahnung von Geschichte, aber auch sie wusste, dass solche Vitrinen, Uhren und Stühle seit den Vierzigerjahren nicht mehr hergestellt wurden. Würde dieser ganze Unrat nicht vor den fleckigen Wänden stehen, hätte die Wohnung womöglich einen eleganten Eindruck gemacht. Oder auch nicht.
    Die Seidentapeten mussten früher einmal cremefarben gewesen sein, mit vertikal verlaufenden Silberstreifen, aber jetzt waren sie eher gelb oder farblos oder wurden von braunen Flecken verunstaltet, die sich an feuchten Stellen neben der Holzverkleidung und oberhalb der Fußleisten gebildet hatten. Wenn sie die Hand daran legte, fühlten die Wände sich rau an wie das Fell eines ausgestopften Tiers.
    In der Küche war das Linoleum brüchig geworden, und man konnte einige uralte emaillierte Haushaltsgeräte erkennen. An den Wänden hingen Holzschränke, die einmal strahlend gelb gewesen, nun aber zu einem elfenbeinfarbenen Ton verblichen waren. Die Ringe auf dem Gasherd waren verkrustet, der Ausguss knochentrocken. Nur auf der Tischplatte konnte man Spuren erkennen, die auf eine Benutzung hindeuteten. Auf einem Holzbrett waren Ritze zu sehen, die von einem Messer stammten, außerdem vertrocknete Brotkrumen. Ein einsamer Stuhl mit einem Schottenmuster auf der Sitzfläche war dicht an den Tisch geschoben worden.
    Die kargen Hinweise auf das Leben ihrer Großtante machten sie mit einem Mal tieftraurig. Vor allem der Anblick einer silbernen, mit Vögeln verzierten Teekanne, neben der eine Packung Zitronenkekse lag, traf sie so sehr, dass sie kaum noch atmen konnte. Beinahe wäre sie in Tränen ausgebrochen.
    In der Nähe der Kanne standen eine einzelne Porzellantasse, eine Zuckerdose, eine Teebüchse und daneben lag ein Sieb. Der Goldrand der Tasse war angeschlagen, wahrscheinlich war es die letzte aus dem Service. Vielleicht ein Geschenk zu ihrer Hochzeit mit Reginald. Apryl berührte den Henkel, brachte es aber nicht über sich, das zerbrechliche Gefäß anzuheben. Dies war Lillians Tasse, daraus hatte sie ihren Tee getrunken. Hier ganz allein in der Küche, an diesem schmalen Tisch neben dem Plastikmülleimer mit dem Schwingdeckel, umgeben von den Überresten eines Lebens, das fast ein Jahrhundert gedauert hatte. Sie konnte jetzt verstehen, warum die Reichen sich auf Alterssitze in Florida zurückzogen und in Polo-Shirts mit ihren Golfwagen herumkurvten. Was machte es für einen Sinn, wenn man ausgesorgt hatte und dennoch so endete?
    Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Du hättest doch zu uns kommen können.«
    In einem der Hängeschränke entdeckte sie eine bunte Mischung von Geschirr: drei Porzellansets fürs Abendessen, alle unvollständig und ohne Rücksicht auf die Muster durcheinandergeworfen. In einem weiteren Schrank waren alte Töpfe und Pfannen. Sie sahen nicht aus, als wären sie in den letzten Jahren benutzt worden, bis auf einen Topf, in dem etwas trockene Milch angesetzt war. Außerdem fielen ihr drei Dosen mit Fertigsuppe und einige Päckchen mit Keksen in die Hände, sonst waren keine Lebensmittel vorhanden. Im Kühlschrank entdeckte sie noch eine Flasche mit sauer gewordener Milch.
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