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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis
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wichtigsten Ereignisse der letzten Tage berichten;
und dann, wenn Ihr geneigt seid, mir so weit zu folgen, werde ich mit
einem Bericht über meine eigene Disposition enden.
    Sewastopol ist ein Marinehafen an der Schwarzmeerküste. Ihr
könnt Euch eine breite Bucht vorstellen, die von Westen, vom
Meer, nach Osten verläuft; die Stadt schmiegt sich an die
Südseite dieser Bucht. Und die Stadt wird durch einen schmalen
Meeresarm in zwei Hälften geteilt, der sich von der Bucht aus
etwa zwei Meilen nach Süden hinzieht.
    Vater, die praktische Konsequenz dieser Sache ist die, daß
es zweier separater Armeen bedarf, um die Stadt einzunehmen; eine
Heeresgruppe, welche eine Seite angreift, könnte nämlich
der Streitmacht, welche auf die andere Hälfte marschiert, keine
Unterstützung zuteil werden lassen, eben wegen der Existenz
dieses Meeresarmes. Und deshalb hatten wir und die Franzosen auf
beiden Seiten des Meeresarmes Position bezogen – die Franzosen
auf der linken, die Briten auf der rechten.
    Die russischen Verteidigungsstellungen wirken – oder wirkten
– schwach, besetzten jedoch strategisch bedeutsame Positionen
und waren schon aufgrund der Geländebedingungen stark befestigt.
Ich habe z. B. bereits die eingegrabene Batterie namens Redan
erwähnt, die aus siebzehn schweren Geschützen bestand.
    Ich erinnere mich, wie wir uns eines Tages der Stadt auf
vielleicht eine Meile näherten, um ihre Umgebung zu erkunden.
Von einem Hügel aus konnte ich die stolzen russischen
Kriegsschiffe sehen, die wie graue Gespenster in der Bucht ankerten,
und die Einwohner von Sewastopol, die völlig gelassen durch die
Straßen gingen, als ob die einhundertvierzigtausend Mann, die
ihren Hafen belagerten, nur ein Traum wären. Aber weniger
traumhaft waren die Festungen, die unsere Stellungen
überschauten. Große schwarze Geschütze blinzelten
mich durch die Luken an, und als ich mich zu deutlich zeigte,
erschien ein Rauchwölkchen, und ich vernahm ein Zischen, als die
Kugel über meinen Kopf hinwegflog; sie hatten sich nämlich
sehr gut eingeschossen.
    Ich habe bereits erwähnt, daß die Belagerung schon
viele Monate andauerte, und nicht wenige Männer, deren
Motivation durch diese Stagnation allmählich schwand, sagten
hinter vorgehaltener Hand, daß Lord Raglan, der von glorreichen
Zeiten träumte und noch der traditionellen Kriegsführung
verhaftet war, nicht über die geistige Flexibilität
verfügte, dieses Problem Sewastopol zu lösen.
    Dann, Anfang Mai, erfuhren wir, daß solche Ansichten auch im
Offizierskorps kursierten. Eine Gruppe Offiziere schloß sich
uns an; die Herren kamen offensichtlich frisch aus England, denn ihre
Epauletten glänzten hell. Sie wurden von General Sir James
Simpson kommandiert, einem stämmigen Gentleman mit martialischem
Blick. Sie wurden von einem Zivilisten begleitet: Einem komischen,
ungefähr fünfzig Jahre alten Kauz, der über sechs
Fuß groß und mit einer Nase gesegnet war, die an den
Schnabel eines Habichts erinnerte; er hatte tiefschwarze Koteletten
und trug einen Zylinderhut, der ihn zehn Fuß groß wirken
ließ. (Die Legende berichtet, daß eines Tages eine
verirrte Russki-Kugel – von der Art, die ständig wie
winzige, tödliche Vögel über unsere Reihen
hinwegsirrten – ein schönes Loch in dieser Kopfbedeckung
hinterließ; und der Gentleman, die Ruhe selbst, nahm das
Stück ab, begutachtete das Loch und tat kund, daß er
gleich nach seiner Rückkehr nach England die Rechnung für
die Ausbesserung bei der Botschaft des Zaren einreichen würde!)
Dieser Bursche bahnte sich einen Weg durch den Schlamm, schaute in
unsere Unterstände, musterte unsere Invaliden und anderen
Siechen, und seine Betroffenheit und schlechte Stimmung waren
für jedermann erkennbar.
    Ich hoffe, daß Ihr anhand meiner Beschreibung den
berühmten Sir Josiah Traveller identifizieren werdet, den
Erschaffer all dieser technischen Wunder, welche die Industriellen
von Manchester zuhause so berühmt gemacht haben. Aber soweit ich
weiß, ist die Anti-Eis-Waffe noch nie zuvor auf einem
Kriegsschauplatz eingesetzt worden.
    Nun, Sir Josiah war auf die Halbinsel gekommen, um uns in
ebendieser Angelegenheit zu beraten.
    Ich habe den Gesprächen, die nach Travellers Ankunft
stattfanden, natürlich nicht selbst beigewohnt, weswegen mein
Bericht zwangsläufig auf Hörensagen beruht. General Simpson
erwies sich als vehementer Befürworter des Einsatzes der neuen
Traveller-Granaten, um die Stadt möglichst schnell
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