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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen
Autoren: Karen Duve
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ich nicht arbeiten. Weil ich ja ständig so müde bin. Völlig erschöpft, zum Umfallen müde. Das Erste, was ich morgens tue, nachdem ich meinen Computer angestellt habe, ist, dass ich mir ein Glas eiskalter Cola light einschenke. Kaum habe ich das getrunken, knipst sich das Hirn an, und ich kann loslegen. In regelmäßigen Abständen dosiere ich nach, sodass ich je nach Arbeitspensum ein bis zwei Literflaschen Cola am Tag trinke. Die Light-Version natürlich. Ein Handwerker, der die meterhohen Ansammlungen von Pet-Leergut bei mir bestaunte, schlugeinmal vor, ich solle mir doch eine Zapfanlage ins Haus legen lassen.
    »Wusstest du, dass die Süßstoffe, die in Light-Produkten sind, auch in der Schweinemast eingesetzt werden?«, fragt Jiminy. »Weil sie Heißhunger auslösen.«
    Ich weiß gar nicht, wo die ganzen Hetzkampagnen gegen Cola immer herkommen. Vielleicht liegt es daran, dass das Getränk schwarz ist. Eine deutlich negative Farbe. Auch schwarze Hunde bleiben in Tierheimen immer am längsten sitzen. Als ich Kind war, hieß es, Cola würde die Magenwände verätzen, und wenn man ein Stück Fleisch in ein Glas Cola täte, wäre es am nächsten Tag verschwunden. Zum Glück stoße ich im Internet auf eine Seite, die mit den Vorurteilen gegen Cola light aufräumt. Also, Süßstoffe werden zwar in der Schweinemast eingesetzt, aber nicht um Heißhunger auszulösen, sondern weil das Mastfutter in der konventionellen Schweinehaltung anscheinend aus so ekelhaften Zutaten besteht, dass die Ferkel es ohne Süßstoffe nicht runterwürgen könnten.
    »Das heißt gar nichts«, sagt Jiminy, »deswegen kann es ja außerdem auch noch den Appetit anregen.«
    Und Fleisch löst sich auch nicht in Cola auf, egal wie lange man es darin liegen lässt. Dieses Gerücht sollen möglicherweise die Nazis gestreut haben, um die Deutschen zu trösten, als Coca-Cola während des Zweiten Weltkrieges nicht mehr an den deutschen Markt geliefert wurde. Allerdings steht auf einer anderen Website, dass Fleisch sich sehr wohl in Cola auflöst, dass es das aber auch in jedem anderen säurehaltigen Getränk – wie etwa Apfelsaft – tut. Ja, was denn nun? Na, eigentlich kann mir das egal sein. Für mich ist schließlich bloß relevant, ob Coca-Cola aus Pflanzen gemacht wird. Nervös blättere ich im Internet. Pech gehabt: Das Cola-Rezeptbeinhaltet tatsächlich Vanille und Orangen-, Zitronen- und Zimtöle. Warum nehmen die eigentlich keine Bio-Produkte? Auf der Homepage von Coca-Cola steht doch, dass dem Konzern gesellschaftlich verantwortliches Handeln besonders am Herzen liegt:
    »Deshalb sehen wir unsere Verpflichtung in vier wesentlichen Bereichen: im Markt, als Arbeitgeber, für unsere Umwelt und für das Gemeinwohl.«
    Mal schauen, was Wikipedia dazu sagt. Ach du meine Güte:
    »Der weltgrößte Pensionsfond TIAA -CREF verkaufte 2006 seine Coca-Cola-Anteile im Wert von 52,4 Millionen Dollar, nachdem bekannt geworden war, dass der Konzern gegen Kinderschutz-, ILO - und Umweltstandards verstoßen haben soll.« Und es kommt noch dicker:
    »… wird Coca-Cola beschuldigt, in Kolumbien mithilfe rechter Paramilitärs Druck auf die Belegschaft dortiger Anlagen auszuüben. Sogar Morde an Gewerkschaftlern von Sinaltrainal, einer Lebensmittelgewerkschaft, werden der Firmenleitung in Kolumbien zur Last gelegt.«
    Das war’s dann ja wohl. Wieso, frage ich mich, kann ein Konzern, der die klebrig-süße Globalisierung bis in die letzten Winkel der Welt betrieben hat, nicht mit ein bisschen Großzügigkeit auf die sicher nicht ganz unberechtigten Forderungen seiner Angestellten reagieren?
    »Was ist los mit denen?«, tobe ich. »Haben die den Hals immer noch nicht voll? Denken die, den Arbeitnehmern in Mittelamerika geht es zu gut? So ein wunderbares Getränk – und dann das. Ich versteh’s nicht.«
    Jiminy sieht mich besorgt an, weil plötzlich ein starkes asthmatypisches Lungengeräusch, das sogenannte Giemen, aus meinem Mund kommt. Das passiertmanchmal, wenn ich mich aufrege. Statt einfach auszuatmen, mache ich dann das lächerliche Geräusch einer Gummi-Ente.
    »Das handelt sich da doch um ein Lizenzunternehmen«, versucht Jiminy abzuwiegeln.
    »Na und? Dann muss die Zentrale den Banditen da unten mal die Ohren lang ziehen! Da werden Leute umgebracht! So eine Scheiße! Und in Indien haben die den Bauern das Wasser weggenommen. Jetzt darf ich nicht nur die nächsten zwei Monate keine Coke light mehr trinken, jetzt kann ich die nie mehr trinken. Jetzt
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