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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen
Autoren: Karen Duve
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alle Ewigkeit reichen sollte. Sobald ich Zeit habe, werde ich versuchen, wenigstens ein Viertel davon auszusortieren. Ich glaube, bei Medikamenten nennt man diese Art des Entzugs »ausschleichen«. Allerdings werde ich ein Problem bekommen, wenn ich für Torino demnächst ein neues Westernpad – das ist ein dickes Unterlegkissen für den Sattel – kaufen muss. Es wird schonschwierig genug werden, eines ohne seitliche Verstärkungen aus Leder zu finden. Und am besten haben leider immer die aus Schafswolle gepasst. Über Schafe und ihre Haltung habe ich bislang nur halbherzig recherchiert, also schaue ich jetzt noch mal schnell nach. Industrielle Massentierhaltung gibt es möglicherweise in Nordafrika, ansonsten laufen die Schafherden über die norddeutschen Deiche und die neuseeländischen Hügelketten und haben keine Wellblechdächer, sondern den endlosen Himmel über sich. Vegane Websites bemängeln, dass viele Schafe auch im Winter ohne jeden Schutz draußen gehalten würden. Das habe ich so noch nicht beobachten können, und 30 % der Wolle kommt sowieso aus Australien, wo es gar keinen Winter gibt. Möglicherweise fehlt dort eher der Sonnenschutz. In Australien und Neuseeland werden vor allem Merinoschafe gehalten, die darauf gezüchtet worden sind, faltige Haut zu bekommen, damit die Wollausbeute pro Schaf noch größer ist. In diese Falten legen allerdings gern Fliegen ihre Eier, besonders in dem Bereich um den Schwanz herum. Deswegen schneidet man den Lämmern dort Essteller-große Hautstücke heraus, damit sich eine faltenfreie Narbenfläche bildet. Den lebenden Lämmern, versteht sich. Ohne Betäubung. Mir wird fast schlecht, als ich das Foto sehe. »Mulesing« nennt sich dieser Vorgang. Bei der Schafschur soll es ebenfalls brutal zugehen – wie ja eigentlich immer, wenn sich Tierhaltung mit dem Wunsch, ordentlich Geld zu verdienen, verknüpft. Und 6,5 Millionen ausgedienter Schafe werden jedes Jahr in wochenlangen Horrorfahrten auf völlig überfüllten Schiffen in den Nahen Osten und nach Nordafrika transportiert, wobei etwa 10 % unterwegs sterben. Die überlebenden Schafe werden von ihren Käufern in den Kofferraum geworfen undnach Hause gefahren, wo man ihnen ohne vorherige Betäubung den Hals durchschneidet.
    Vielleicht hält mein altes Schafwollpad ja doch noch ein weiteres Jahr. Oder ich finde ein Pad aus Baumwolle oder Kunstfaser, das ganz passabel sitzt.
    Auch bei den Tierpräparaten habe ich es nicht übers Herz gebracht, noch mehr auszusortieren. Da ich es aber auch nicht fertigbringe, sie wieder aufzuhängen, sperre ich sie ebenfalls für ein weiteres Jahr weg und schaue sie mir erst 2012 wieder an. Mal sehen, wie ich dann dazu stehe. Nur die Kröten-Mumie stelle ich schon jetzt wieder in ihrem gläsernen Sarg aus. Die ist nämlich ohne menschliches Verschulden in einem Laubhaufen vertrocknet. Die Bettdecken mit der Kunststofffaserfüllung benutze ich weiter, krame aber mein altes Daunenkissen wieder aus dem Schrank. Das vegane Kissen plustert sich so auf, dass ich lieber ganz ohne Kissen schlafen würde als auf so einem. Ich hoffe, das Daunenkissen hält bis an mein Lebensende, denn ein neues anschaffen werde ich selbstverständlich nicht. Notfalls sammle ich lieber die Daunenfedern von meinen mausernden Hühnern aus dem Hühnerstall und stopfe mir damit selber ein Kissen. Überhaupt will ich mir nicht mehr ständig neue Dinge kaufen.
    Das ist mein fünfter Vorsatz:
    5.) Ich konsumiere insgesamt weniger. Und wenn, dann kaufe ich bevorzugt gebrauchte Sachen. Außerdem trenne ich mich im nächsten Jahr jeden Tag von mindestens einem Gegenstand aus meinem Besitz.
    Eigentlich wollte ich mir im nächsten Jahr einen moderneren, stärkeren und vor allem schnelleren Computer kaufen. Das lasse ich nun schön bleiben. Stattdessenwerde ich meinen alten Computer überholen und nachrüsten lassen. Ich spare Geld, und die Nigerianer freuen sich auch, wenn mein Elektroschrott nicht auf ihren Müllhalden landet. Bis vor Kurzem hatten die westlichen Industrienationen eine Art Monopol darauf, die Ressourcen dieses Planeten auszubeuten, und den Müll einfach über den Gartenzaun – zum Beispiel von Nigeria – zu kippen. Nun ist das erste Milliardenvolk dabei, es uns gleichzutun, und das zweite Milliardenvolk steht schon in den Startlöchern. Wenn die sich genauso benehmen wollen wie wir, geht das böse aus. Was aber sollen wir den Chinesen und Indern sagen – wir durften das, und wir wollen auch so
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