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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen
Autoren: Karen Duve
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mal ein Stück Fleisch oder Fisch essen werde.
    Mein dritter Vorsatz lautet:
    3.) Ich werde höchstens noch 10 % von dem, was ich früher an Fisch, Fleisch und Milchprodukten konsumiert habe, essen.
    Wobei ich ziemlich zuversichtlich bin, meinen Fleischkonsum nahe null halten zu können, während ich mit den Milchprodukten wahrscheinlich eher hart am Zehn-Prozent-Limit entlangschramme. Milch ist einfach in verdammt vielen Produkten enthalten. Wann immer es möglich ist, werde ich mein Brot im Vegan-Laden kaufen, aber wenn das gerade mal nicht geht, werde ich es ohne große Diskussionen woanders kaufen. Außerdem möchte ich auch mal wieder in meinem indischen Lieblings-Restaurant essen. Ich werde dort nur noch vegetarische Gerichte bestellen, aber ich werde es in Kauf nehmen, dass höchstwahrscheinlich Sahne im Essen ist, und ich möchte ein Batura-Brot dazubestellen, auch wenn es mit Milch gebacken worden ist. Und nein, ich finde es auch nicht ethisch überzeugend oder befriedigend, was ich mir da vorgenommen habe, aber es ist das, was ich schaffen kann.
    Allmählich verstehe ich, warum so viele Menschen das Denken verweigern und gar nicht erst wissen wollen, woher ihre Lebensmittel kommen: Wenn man das alles weiß, was ich jetzt weiß, und trotzdem noch Fleisch und Käse isst, dann ist das noch viel weniger zu verzeihen, als wenn so ein unschuldig-schuldiger Ignorant an seinem Schnitzel herumsäbelt. Jetzt ernähre ich mich soachtsam und rücksichtsvoll wie nie zuvor in meinem Leben und habe trotzdem eine schlechtere Meinung von mir als früher. Es gibt nämlich noch etwas Schlimmeres, als das Denken zu verweigern – die Zusammenhänge zu kennen, ohne daraus die Konsequenzen zu ziehen.
    So, genug Asche auf mein Haupt. Ich bin nicht so rücksichtsvoll und mitfühlend, wie ich sein sollte, aber ich bin auch nicht so mies und rücksichtslos, wie ich sein könnte. Eier aus dem Supermarkt würde ich nicht kaufen, aber die Eier von meinen Hühnern werde ich essen, die fallen nun einmal an. Sie nicht zu essen, hätte etwas mit Prinzipien zu tun, und damit habe ich es nicht so. Ich werde nicht konsequent sein, aber achtsam. Auch im Umgang mit Pflanzen. Einmal im Jahr will ich mindestens eine Woche lang frutarisch leben, um mich selbst daran zu erinnern, was ethisch noch alles drin ist. Und dass es mir nicht gelungen ist, ein guter Mensch zu werden, soll mich nicht davon abhalten, ein besserer zu werden. Ich übernehme all das von den Veganern, was mir leichtfällt, und einiges von dem, was mir nicht ganz so schwerfällt.
    Das ist mein vierter Vorsatz:
    4.) Ich kaufe keine Lederprodukte mehr und keine Produkte, in die Daunen verarbeitet worden sind.
    Meine Lederkleidung und die Lederschuhe habe ich größtenteils schon weggegeben. Gar nicht schlecht – jetzt habe ich ein beinahe leeres Schuhregal, das nur darauf wartet, mit lederfreier Neuware gefüllt zu werden. Als ich meine dicke schwarze Lederjacke aus dem Karton nahm, fand ich sie plötzlich geradezu ekelhaft. Ich könnte mir nicht mehr vorstellen, so etwas gern zutragen. Behalten habe ich nur zehn Teile, darunter die Blundstones, ein Paar blau-weißer Westernstiefel und eine Wildleder-Fransenjacke, in der ich 1980 durch Europa getrampt bin. Die bleiben aber alle weiterhin im Karton. Ende nächsten Jahres schaue ich noch einmal hinein und entscheide dann, ob ich sie inzwischen weggeben kann oder wieder hervorholen will. Oder ob sie noch ein weiteres Jahr im Karton lagern sollen. Meine vegane Gesichtscreme werde ich auch weiterhin kaufen, allerdings werde ich auch noch meine angebrochenen Tuben und Tiegel aus vorveganen Zeiten aufbrauchen. Verschenken kann man so etwas nicht, und die Müllberge sind bereits hoch genug.
    Meine große moralische Schwachstelle ist die Sattelkammer. Zwar gibt es im Versandhandel für jedes Lederprodukt – ob Sattel, Trense, Stiefel oder Reithose – auch eines ohne Leder – aber es hat so lange gedauert, bis ich für Torino den passenden Sattel gefunden habe. Außerdem ist die Kunststofftrense an den Ohren ziemlich eng. Und ja, ich gebe es ja zu, ich krieg es einfach nicht fertig, mich von den Sätteln zu trennen, einiges von dem Lederzeug ist auch historisch, und nach meiner ausgestellten Breeches-Reithose mit Lederbesatz habe ich Jahre gefahndet und sie mir schließlich anfertigen lassen. Ich werde mich damit begnügen, wenigstens keine neuen Ledersachen hinzuzukaufen. Ich habe sowieso dermaßen viel Zeug angesammelt, dass es bis in
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