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Anruf vom Partner

Anruf vom Partner

Titel: Anruf vom Partner
Autoren: Michael Lewin
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Samson.«
    Langsam und zu diversen »Ohs« und »Ahs« und etwas spärlichem, zaghaftem Händeklatschen erhob ich mich.
    »Mr. Samson ist eine Rarität, ein Anachronismus, ein goldechter, altmodischer Privatdetektiv. Habe ich recht, Mr. Samson?«
    Ich nickte genau einmal, das Minimum.
    »Er hat ein Büro in der Virginia Avenue, in der Nähe des Fountain Square, über einer Imbißstube, und seit vielen, vielen Jahren verfolgt und beschattet er irgendwelche Subjekte in den schäbigen Straßen von Indianapolis. Ich war gewarnt worden, daß auf meiner Party heute abend jemand in Gefahr sein könne, und als ich eine seiner kleinen Anzeigen im Star las, nahm ich mir die Freiheit, Mr. Samson für den Fall des Falles ebenfalls einzuladen. Natürlich haben wir heute abend auch unseren allseits geschätzten Polizeichef bei uns, aber als Gast und Freund. Er wird sicher nichts dagegen haben, wenn wir uns ausnahmsweise einmal nicht ausschließlich auf ihn verlassen.«
    Ein huldvolles Lächeln der Gastgeberin zog ein huldvolles Lächeln des Polizeichefs von Indianapolis nach sich.
    »Also, wenn Sie nun alle Mr. Samson in den Salon folgen wollen - natürlich ohne dabei irgendwelche Spuren unkenntlich zu machen! Ich glaube, Mr. Samson hat seine Ausrüstung mitgebracht und wird sicher gleich die Abdrücke von der Mordwaffe nehmen. Aber natürllich will ich Ihnen nicht vorschreiben, wie Sie Ihre Arbeit zu machen haben, Mr. Samson.«  
    Sie schenkte mir ein Lächeln, für das sie eins von mir zurückerhielt. Und sie steckte mir zwei Spickzettel zu. Ihr »huldvolles Lächeln« war um Längen besser als meins.
    »Nachdem wir den Schauplatz des Verbrechens in Augenschein genommen haben, können wir sicher unsere Mahlzeit fortsetzen, während Mr. Samson weitere Nachforschungen anstellt. Es ist allerdings durchaus möglich, daß er uns einzeln zu einem Verhör dritten Grades herausbitten muß. Und noch eine Bitte - wir sollten versuchen, Ben nicht in die Quere zu kommen! Ben… unserem Kameramann!«
    Mrs. Vivien drehte sich zu einem Wandschirm in der Ecke des Speisezimmers um, hinter dem nun ein hochgewachsener Mann hervortrat. Auf einer seiner Schultern ruhte eine Videokamera, auf der anderen das untere Ende eines gewaltigen Ohrrings. »In den nächsten Tagen«, erklärte Mrs. Vivien, »wird jedem Gast eine Kopie des Bandes zugehen.«
    Die Ankündigung dieses kleinen Party-Extras wurde von den Gästen mit allgemeiner, lautstarker Überraschung und Zustimmung aufgenommen. Jedem war inzwischen klargeworden, daß er einem besonderen gesellschaftlichen Ereignis beiwohnte. Und daß er Teil dieses Ereignisses war.
    Der Plan, wie er am Nachmittag schriftlich niedergelegt und einstudiert worden war, sah vor, daß Ben bei mir blieb, während ich den Tatort examinierte und Spuren sicherte. Dann, wenn die Gäste sich wieder am Futtertrog eingefunden hatten, sollte ich sie vom Essen einzeln oder paarweise zu sehr kurzen Befragungen herausrufen. Man hatte mich mit angeblich aufschlußreichen, ja sogar gewagten Fragen ausgestattet, die ich jedem einzelnen Verdächtigen oder Zeugen stellen sollte. Nach dem Essen sollten dann alle gemeinsam die Aufzeichnung der Verhöre ansehen und weitere Fragen ersinnen. Anschließend gab es Preise für die, die scharfsichtig genug waren, die richtigen Indizien zu erkennen und die Lösung zu erschließen, die ich schließlich enthüllen würde. Die Preise bestanden in unterschiedlichen Mengen Champagner. O ja, es stand uns eine Wahnsinnsparty bevor.
    Und der Tiefpunkt meines Lebens.
    »Alles bereit?« fragte Mrs. Vivien. »Nach Ihnen, Mr. Samson.«
     
     

2
    Wenn man sich zu guter Letzt zu dem Versuch durchringt, seine Seele zu verkaufen, dann geht das nur mit Enthusiasmus, stimmt's? Hab ich recht?
    Oder ist das auch nur so ein Schwachsinn wie: »Die Lüge, die man am leichtesten im Gedächtnis behält, ist die Wahrheit« ?
    Die Architekten haben ihre Pseudogotik; die Schriftsteller haben ihre Pseudonyme; warum sollte Samson da keinen Pseudotiefgang haben?
    *
    Es war schon weit nach zwei, als ich nach Hause kam. Aufrechterhalten hatte mich einzig das Wissen, daß die Zeit eindimensional und unidirektional ist und daß alle menschlichen Dinge ein Ende haben, auch wenn das eigene tiefe Elend sie noch so endlos erscheinen läßt.
    Der Butler war übrigens der Mörder, im Verein mit Quentin, dem Briten. Quentin war als ›Stadtschreiber‹ in Indianapolis und hatte das Drehbuch für die Party geschrieben. Er war seit
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