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Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust
Autoren: Megan Hart
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zusammen. Ich erspähte im Blond seiner Brauen ein paar silberne Fäden, als er sich auf seinem Sitz zurücklehnte und mir zuwandte.
    „Aber sie musste doch irgendetwas sagen. Ich meine … ich bin dein Vater.“
    „Sie hat mir nie irgendwelche Einzelheiten verraten“, erklärte ich ihm so freundlich ich konnte. „Es ging mich ja eigentlich auch nichts an, nicht wahr?“
    Ganz abgesehen davon, wie peinlich es mir gewesen wäre, Einzelheiten über die Affäre zu hören, die zu meiner Geburt geführt hatte. Ich hatte von Anfang an gewusst, wer mein Dad war und dass ich ihn nur ab und zu sehen würde. Dass er einige andere Kinder hatte, die wichtiger waren als ich, und dass er zwar mehr Geld hatte als wir, dieses Geld aber aus irgendeinem Grund nie den Weg in das Portemonnaie meiner Mutter fand, auch wenn es ihr zustand. Aber ich hatte nie nach Details gefragt, nach dem Warum, Wieso und Weshalb. Ich war davon ausgegangen, dass sie ihn geliebt hatte. Nie hatte ich in Erwägung gezogen, dass auch er sie geliebt haben könnte.
    „Aber es war so. Ich habe sie geliebt.“ Mein Dad räusperte sich. „Du siehst ihr ähnlich, Paige. Sehr ähnlich.“
    Er hatte sie seit Jahren nicht gesehen, und ich ähnelte ihm viel mehr als ihr, aber ich lächelte. „Danke.“
    „Sie war so schön, das kannst du dir nicht vorstellen. Und sie wusste, wie man Kaffee kocht. Mein Gott, diese Frau konnte zaubern.“ Er versank in seinen Gedanken an die Vergangenheit und nahm mich nicht mehr wahr.
    Seinen Erinnerungen beeindruckten mich nicht sonderlich. Sie war hübsch und konnte gut Kaffee kochen. Wie nett. Und was war damit, dass sie klug und freundlich, großzügig und lustig war? Dass sie einen unglaublichen Hackbraten machen konnte und in der Lage war, ihr Geld so zu strecken, dass am Ende noch ein paar neue Sneakers oder eine Geburtstagstorte drin waren?
    „Meine erste Frau hat mich nicht verstanden.“
    Ich stöhnte. „Himmel, Dad. Oh Gott!“
    Abrupt stieg ich aus dem Wagen und schlug die Tür zu. Ich wollte seine Scheißerklärungen nicht hören, warum er seine Sekretärin gevögelt und geschwängert hatte und sie dann sitzen ließ, sodass sie ihr Kind allein großziehen musste. Ich wollte seine Gründe nicht hören, weshalb er untreu gewesen war. Vielleicht, wenn er meine Mutter geheiratet hätte und die Geschichte ein Märchen geworden wäre, in dem alle bis in alle Ewigkeit glücklich waren, mit mir, ihrer entzückenden Prinzessin, in einem weißen Kleid und weißen Lackschuhen, mit einem Pony und einem Clown, der bei ihren Geburtstagspartys auftrat, dann hätte es mich vielleicht interessiert. Vielleicht hätte ich ihm dann zugehört. Aber wie die Dinge lagen, wandte ich ihm den Rücken zu und versuchte wegzukommen.
    Mein Dad stieg ebenfalls aus dem Auto. „Paige!“
    Er hatte nur selten seine Stimme erheben müssen. Ich hatte immer viel zu viel Angst gehabt, er könnte mich nicht mehr lieb haben, wenn ich mich schlecht benahm. Meine Beine blieben automatisch stehen, aber ich drehte mich nicht um.
    Er holte mich ein und streckte die Hand nach meinem Arm aus, fasste mich aber nicht an, als ich ihn finster anstarrte. „Paige. Warte einen Moment.“
    „Wirklich, Dad. Ich muss jetzt reingehen. Ich habe Mom versprochen vorbeizusehen, und ich muss nach Hause und mich um Arty kümmern.“
    Er sah mich verständnislos an.
    „Arty. Mein Bruder.“ Ich ließ das „Halb“ weg. „Er ist in der Nachmittagsbetreuung, aber ich muss rechtzeitig zurück sein, um ihn abzuholen.“
    Wieder schaute er am Gebäude hoch, bevor er seinen Blick auf mich richtete. „Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn ich mit hineinkomme. Aber sagst du ihr, dass ich nach ihr gefragt habe?“
    „Sicher.“ Ich stockte und beschloss dann, es nicht für mich zu behalten. „Weißt du, Dad, sie ist vor ein paar Monaten in der Fabrik entlassen worden. Ich weiß nicht, wie es mit ihrer Versicherung aussieht, aber ich bin sicher, sie könnte etwas Geld gebrauchen.“
    „Hat sie dich gebeten, mich zu fragen?“
    Ich war schon vorher sauer gewesen, aber sein rasches Misstrauen machte mich richtig wütend. „Nein. Das würde sie nie tun. Aber du hast es, und sie kann es gebrauchen.“
    Mein Dad schob die Hände in die Hosentaschen und sah auf den Boden. „Wie viel braucht sie?“
    „Wie viel kannst du für eine Frau erübrigen, von der du behauptest, dass du sie liebst?“, fauchte ich ihn an, und es war mir egal, ob er es mir übelnahm.
    Er schaute mir ins
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