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Annebelle - sTdH 2

Annebelle - sTdH 2

Titel: Annebelle - sTdH 2
Autoren: Marion Chesney
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keuchte Annabelle. »Ich bin eine Dame, Sir.«
    »Das bleibt
abzuwarten«, sagte der Vikar trocken. »Ich warne dich, Annabelle; sprich wie
ein junges Mädchen, und benimm dich bescheiden.«
    »Sehr wohl,
Papa.«
    »Enthalte
dich der fleischlichen Begierden, die wider die Seele streiten. Petrus i,
Kapitel 2, Vers II.«
    »Ja, Papa.«
    »So, hier
hast du eine Börse. Nadelgeld und Geld für die Dienerschaft. Und jetzt ab ins
Bett!«
    Mit empört
verzogenen Lippen ging Annabelle die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
    Deirdre saß
am Toilettentisch und probierte verschiedene Cremes auf ihrem Gesicht aus.
    Annabelle
bekam einen Wutanfall. Sie rannte auf ihre jüngere Schwester
los und schüttelte sie, bis ihr die Zähne klapperten. »Geh in dein eigenes
Zimmer«, zischte sie.
    Deirdre
entwand sich ihrem Griff und tänzelte zur Tür. »Du hast keine Chance, daß Lord
Sylvester dich auch nur ansieht, Bella. Blonde Frauen sind aus der
Mode.«
    »Karottenköpfe
auch!« schrie Annabelle. Sie ergriff eine Haarbürste und warf sie nach ihrer
Schwester, aber Deirdre huschte rasch durch die Tür und war verschwunden.
    »Gehässige
kleine Katze«, murmelte Annabelle, setzte sich an den Toilettentisch und
studierte aufmerksam ihr Spiegelbild. Die Wut hatte ihre Wangen gerötet und
ließ ihre großen blauen Augen blitzen. Ihr blondes Haar, das sie noch lose
trug, bildete eine goldene Aureole um ihr hübsches Gesicht.
    »Ich bin
schön«, sagte Annabelle trotzig, »viel schöner als Minerva.« Eine erstickende
Erregung stieg ihr in die Kehle. Bald würde sie Lord Sylvester sehen. Sie malte
sich rosige Phantasien darüber aus, wie sie am Arm eines verliebten Lord
Sylvester ins Pfarrhaus zurückkehren würde, und genoß die Vorstellung von
Deirdres Verblüffung. Das ist meine kleine Schwester, würde sie sagen und
Deirdres Kopf tätscheln. Wir müssen etwas unternehmen, um sie zu bändigen, Liebling.
Sie ist so ungestüm, daß sie sich nie einen Beau einfangen wird.
    Doch es
war eine eher
kleine, ängstliche und schulmädchenhafte Annabelle, die am nächsten Tag von
ihren Eltern und Schwestern Abschied nahm. Die Mädchen hatten eigens die
Schule versäumen dürfen, um sich von ihr zu verabschieden. Der Vikar
versprach, den Zwillingen noch am gleichen Tag zu schreiben und ihnen von
Annabelles Besuch beim Herzog von Allsbury zu berichten.
    Der
Kutscher mit der prachtvollen Perücke, der würdevoller aussah als ein Erzbischof,
ließ seine Peitsche knallen. Annabelle lehnte sich aus dem Fenster der Kutsche
und sah durch einen Tränenschleier auf ihre Familie. Zwei hochgewachsene Diener
sprangen hinten auf. Das Hausmädchen Betty rang fassungslos die Hände vor
Begeisterung über die weichen Lederpolster, die Reisedecken aus Bärenfell und
den heißen Ziegelstein zu ihren Füßen. Dann fuhr die Kutsche an.
    »A-auf
W-wiedersehen«, stammelte Annabelle und ließ ihr Ta schentuch flattern. »Ich
werde ganz bestimmt brav sein, Papa.«
    Doch der
verblüffte Ausruf des Vikars – »Du hattest doch wohl nichts anderes vor, oder?«
– ging im Gerumpel der Räder unter.
    Annabelle
lehnte sich in die Ecke zurück und trocknete ihre tränennassen Augen. Hat sich
Minerva auch so gefühlt? fragte sie sich. War ihr auch so zumute, als sie nach
London abreiste mit der Anweisung, sich einen Ehemann zu suchen? Und war nicht
allein der Gedanke, ihr den wieder wegnehmen zu wollen, von abscheulicher
Bosheit?
    Die Kutsche
rollte durch das Dorf. Sie spiegelte sich im stillen Wasser des Dorfteiches.
Die vier großen Zugpferde bliesen weiße Atemwölkchen in die kalte Luft.
    Vorbei an
den ›Sechs fröhlichen Bettlern‹; vorbei an der verschrumpelten kleinen
Gestalt von Squire Radford, der seinen Hut lüftete.
    Und vorbei
am Tor von The Hall, dem Haus von Annabelles Onkel, Sir Edwin Armitage. Sir
Edwin, der Bruder des Vikars, und seine Frau, Lady Edwin, waren ganz außer sich
über Minervas Erfolg auf dem Heiratsmarkt. Ihre eitlen Töchter Emily und
Josephine hatten nichts erreicht und mußten sich damit abfinden, es in der
nächsten Saison von neuem zu versuchen.
    Beim
Gedanken an Emily und Josephine vergaß Annabelle ihr schlechtes Gewissen und
stellte sich vor, wie sie ihnen Lord Sylvester als ihren Verlobten
präsentieren und sich an ihren neidischen Blicken weiden würde.
    Die Kutsche
rollte über die holperige Bogenbrücke über dem Blyne; das Echo ihres Rumpelns
schallte von den hohen, bemoosten Mauern um den Besitz von Lady Wentwater
zurück.
    Als
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