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Annebelle - sTdH 2

Annebelle - sTdH 2

Titel: Annebelle - sTdH 2
Autoren: Marion Chesney
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Mochte die gegenwärtige Mode Blond auch zum
›Mißgeschick‹ erklären, Annabelle Armitage hatte schon früh gelernt, daß
die Verbindung von goldblondem Haar, blauen Augen, schlanker Gestalt und
zierlichen Gelenken jeden Gentleman in der Grafschaft Berham in helles
Entzücken versetzte.
    War sie
nicht auch schon fast verlobt gewesen, und zwar lange vor Minerva? Doch Guy
Wentwater hatte sich als Sklavenhändler entpuppt, und so war die Verlobung
nicht zustande gekommen. Und dann, als ihre Gefühle ihm gegenüber sich gerade
wieder erwärmten, war er auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Selbst seine
Tante, Lady Wentwater, schwor, sie habe kein Wort von ihm gehört.
    Mrs.
Armitage, die sich gern an allen möglichen Stimmungen und merkwürdigen
Infektionen erkrankt glaubte, hatte die Führung des Haushalts Minerva
überlassen. Nachdem Minerva und ihre Mutter abgereist waren, stellte Annabelle
fest, daß die ermüdenden Pflichten von Haushalt und Pfarre nun an ihr
hängenblieben.
    Und je mehr
sie tat, desto mehr war sie davon überzeugt, Minervas natürliche Rolle sei die
einer alten Jungfer. Minerva war allem Anschein nach mit der langweiligen
Routine des dörflichen Lebens durchaus zufrieden gewesen. Daraus folgte – so
dachte Annabelle eifrig –, daß Lord Sylvester Minerva keinen schlechten Dienst
erwiese, falls er zu dem Schluß kommen sollte, ihre jüngere Schwester passe
besser zu ihm.
    Die
zimperliche Minerva würde ein wenig verletzt sein, ein bißchen Kummer haben,
doch das wäre wohl alles. Sicher war Minerva völlig außerstande, unter so
starken, leidenschaftlichen Gefühlen zu leiden wie sie selbst. Doch wie konnte
es ihr gelingen, Minerva zu verdrängen und selbst Lord Sylvesters Zuneigung zu
gewinnen, wenn dieser niemals
anwesend war und folglich ihren Reizen gar nicht erliegen konnte?
    Obwohl im
Pfarrhaus eine Köchin und Haushälterin, ein Dienstmädchen, ein Mann für
Aushilfsarbeiten und ein Kutscher beschäftigt wurden, erwartete man von
Annabelle, daß sie sich mit um die häuslichen Obliegenheiten kümmerte; während
ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, war sie damit beschäftigt,
Fettflecken aus den Plüschpolstern der Speisezimmerstühle zu entfernen, eine
mühselige Arbeit, bei der die Flecken vorsichtig mit heißen, zu einer Rolle zusammengepreßten
Brotkrumen ausgerieben werden mußten.
    Minerva und
ihre Mutter wurden erst am Nachmittag zurückerwartet, und Annabelle plante,
ihr bestes Kleid anzuziehen. Es konnte ja immerhin sein, daß Lord Sylvester sie
begleitete.
    Annabelle
hielt daher in ihrer Beschäftigung nicht einmal inne, als sie das Geräusch von
Kutschenrädern auf dem kurzen Kiesweg hörte; sie nahm an, ihr Vater sei von
seiner Rundfahrt durch die Pfarrei zurückgekehrt.
    So ließ sie
verblüfft die letzte Brotrolle sinken, als sie draußen ihre Mutter mit
klagender Stimme sagen hörte: »Ist denn niemand da, mich
willkommen zu heißen?«
    Annabelle rannte
zum Fenster und sah hinaus. Falls Lord Sylvester mitgekommen war, würde sie in
ihr Zimmer fliehen und sich so schnell wie möglich hübsch machen.
    Doch da stand
nur die kleine Gestalt von Mrs. Armitage, die matt zwei prachtvolle Lakaien
anwies, mit dem Gepäck vorsichtig zu sein.
    Lord
Sylvesters Kutsche war angekommen, aber ohne Seine Lordschaft und ohne
Minerva.
    Annabelle
lief hinaus, umarmte ihre Mutter und plazierte einen Kuß auf deren welke Wange.
    »Mama! Wo
ist Minerva? Warum bist du allein gekommen?«
    »Ich bin
schrecklich reisekrank«, sagte Mrs. Armitage schwach und löste sich aus der
Umarmung ihrer Tochter. »Mach keinen solchen Aufruhr, Kind. Ich muß mich
hinlegen. Ich spüre, daß sich eine Migräne ankündigt.«
    Im
Gegensatz zu Minerva ließ sich Annabelle von den berühmten Kopfschmerzen ihrer
Mutter aber nicht beeindrucken. »Du kannst nicht in dein Zimmer entschwinden,
Mama, ohne mir zuerst von deinem Besuch zu berichten. Wie leben sie? Sind sie
sehr vornehm?«
    »Oh, schon
gut«, seufzte Mrs. Armitage kapitulierend. »Doch laß mich eintreten, meinen Hut
abnehmen und Mrs. Hammer um Tee bitten.« Mrs. Hammer war die Köchin und
Haushälterin.
    Annabelle
flog in die Küche und war schnell wieder bei ihrer Mutter, die im Salon am
Feuer saß.
    »Es tut so
gut, zu Hause zu sein«, sagte Mrs. Armitage. »Der Herzog und die Herzogin von
Allsbury leben so vornehm. Und so viele Gäste, die kommen und gehen! Und
die Kleider, meine Liebe! Die Toiletten! Ich fühlte mich wie eine
Landpomeranze, obwohl
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