Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Annebelle - sTdH 2

Annebelle - sTdH 2

Titel: Annebelle - sTdH 2
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
plötzlich, klapperten die Auffahrt hinauf, voran Lord Sylvester
und eine Frau mittleren Alters in einem eleganten, mit Schnüren besetzten
Reitkostüm.
    Annabelle
sprang auf die Füße und blieb dann unentschlossen stehen. Sie wollte nicht mit
all diesen Fremden zusammentreffen. Endlich beschloß sie, leise zum oberen
Ende der Treppen zu schleichen und zu sehen, ob sie Gelegenheit finden könnte,
mit Lord Sylvester zu sprechen, wenn die anderen sich in ihre Zimmer
zurückgezogen hatten.
    Auf dem
obersten Treppenabsatz gab es einen Alkoven mit einer Bronzestatue des Zeus,
und Annabelle gelang es, sich dahinter zu verstecken, ohne von einem der Gäste
oder Diener bemerkt zu werden.
    Mehrere
junge Damen und Herren kamen die Treppe herauf und gingen an ihr vorbei. Nach
einer scheinbar endlosen Weile kam die Dame, die lange Schleppe ihres
Reitkostüms über den Arm gelegt. Sie sah sehr elegant und mondaine aus.
Das muß Lady Coombes sein, dachte Annabelle, die sich an Minervas Beschreibung
der Gäste erinnerte.
    Dann folgte
eine lange Stille, nur von schwachen Stimmengeräuschen und
Gelächter aus den Zimmern unterbrochen.
    Annabelle
huschte leise die Treppe hinunter in die Haupthalle. Die Statuen ringsum
schienen sie mit ihren bronzenen Augen zu beobachten.
    Es gab hier
so viele Räume. Wohin konnte er gegangen sein? Ein Butler mit grüngesäumter
Schürze kam in die Halle, und Annabelle lächelte ihn strahlend an.
    »Könnten
Sie mir sagen, wo ich Lord Sylvester Comfrey finde?« fragte sie.
    »In der
Bibliothek, Miss«, antwortete der Butler.
    »Und wo ist
–?«
    »Dort
drüben, Miss, am Ende der Halle rechts.«
    Annabelles
Herz begann heftig zu klopfen, und sie spürte eine erstickende Enge in der
Brust. Einen verzweifelten Augenblick lang wollte sie kehrtmachen und fliehen,
doch der Butler stand gravitätisch da und sah sie an; also hob sie das Kinn und
marschierte auf das rückwärtige Ende der Halle zu.
    Leise
öffnete sie die Tür zur Bibliothek und trat ein. Lord Sylvester stand gegenüber
an einer der Fenstertüren, ein Buch mit Ledereinband in der Hand. Er trug einen
dunklen, waldgrünen Rock über einer kurzen, bedruckten Pikeeweste, wollene
Kniehosen und hohe, braune Stiefel. Sein hellbraunes Haar war kunstvoll
frisiert, als komme es gerade aus den Händen des Friseurs. Er blickte nicht
auf, als Annabelle eintrat, und schien ganz in sein Buch vertieft.
    »Man sollte
nicht meinen, daß Sie von einem Ausritt kommen«, sagte Annabelle atemlos. »Sie
sehen aus, als seien Sie gerade aus einer Hutschachtel gestiegen.«
    Lord
Sylvester ließ sein Buch sinken, wandte sich um und sah Annabelle an. Seine
grünen Augen waren vollkommen ausdruckslos.
    »Ich bitte
um Verzeihung, Miss Annabelle«, sagte er schleppend. »Ich habe nicht gehört,
was Sie sagten.«
    »Ich sagte,
Sie sähen aus, als kämen Sie aus einer Hutschachtel statt von einem
Ausritt«, erwiderte Annabelle schwach. »Ich m-meine, bei diesem Wetter ...«
    »Tatsächlich?«
Seine Lordschaft stand ruhig da und beobachtete sie, offensichtlich darauf
wartend, daß sie fortführe.
    »Hier gibt
es aber viele Bücher«, sagte Annabelle.
    »Ja. Wir
befinden uns in der Bibliothek.«
    »Lesen Sie
viel?«
    »Wenn ich
Zeit dazu habe, ja.«
    »Ich ... Ich
lese auch viel.«
    »Dann sind
Sie ja hier am richtigen Ort«, sagte Seine Lordschaft freundlich, nahm sein
Buch unter den Arm und ging auf die Tür zu. »Ich bin sicher, daß Sie etwas nach
Ihrem Geschmack finden werden.«
    »Warten
Sie!« sagte Annabelle verzweifelt. Hatte er nicht bemerkt, wie hübsch sie in
dem Kleid mit den kirschroten Bändern aussah? »Vielleicht könnten Sie mir etwas
vorschlagen ...?«
    »Nein, das
kann ich leider nicht. Ich kenne Ihren Geschmack nicht.«
    »Oh. Nun
ja ... Sehen Sie, alles ist so fremd hier.«
    Sein
Gesicht entspannte sich, und er lächelte. »Ich bin überrascht, daß meine
gewissenhafte Minerva Sie sich selbst überlassen hat.«
    »Ja, sie
ist sehr streng, finden Sie nicht?« sagte Annabelle mit einem Kichern.
»Tyrannisiert sie Sie auch?«
    »O ja, ganz
schrecklich. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. «
    »Minerva
meint, ich hätte mich hingelegt, um zu ruhen.«
    »Und das
konnten Sie nicht?« fragte Lord Sylvester und machte eine halbe Drehung in
Richtung auf die Tür.
    »Nein. Ich
war zu aufgeregt. Und ich wollte Sie sehen.«
    »Hier bin
ich. Und jetzt gehe ich. Alte Philister wie ich brauchen ihre Ruhepausen, Miss
Annabelle.«
    »Sie sind überhaupt nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher