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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora
Autoren: Pandora
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Stoiker und die ägyptischen Eremiten, doch bringe den Tod. Bestrafe sie.«
    Sie nahm eine feindselige Haltung ein. »Dieser Mann will uns nicht helfen«, murmelte sie vor sich hin. »Der Mann ist weltlich gesinnt. Dieser Mann ist ein Ketzer.«
    »Aber ihr müsst uns empfangen«, drängte der Mann, der als Erster das Wort ergriffen hatte. »Wir haben so lange gesucht und kommen von so weit her, und wir nä-
    hern uns euch in Demut. Es ist vielleicht euer gutes Recht, in einem Palast zu leben; ihr habt es euch verdient, wir jedoch nicht. Wir leben in Dunkelheit, wir genießen keine Freuden außer denen des Bluttrinkens, wir nähren uns von den Schwachen und Kranken und Unschuldigen gleichermaßen. Wir handeln nach dem Willen Christi, wie die Schlange im Paradies nach dem Willen Gottes handelte, als sie Eva verführte.«
    »Kommt zu unserem Tempel«, sagte einer der anderen, »und seht den Baum des Lebens, um den sich die heilige Schlange windet. Wir haben ihre Fangzähne! Wir haben ihre Macht! Gott erschuf sie, wie er Judas Ischariot erschuf oder Kain oder die sündigen römischen Kaiser.«
    »Ach, ich verstehe«, sagte ich. »Ehe ihr auf den Gott in der Höhle stießt, wart ihr Schlangenanbeter. Ihr seid Ophiten, Sethianer, Naassener.«
    »Das war unsere erste Berufung«, antwortete der Jüngling. »Aber nun gehören wir zu den Kindern der Finsternis, berufen, zu opfern, zu töten und Leiden zuzufügen.«
    »Ach, Marcion und Valentinus!«, flüsterte Marius. »Diese Namen kennt ihr nicht, oder? Das sind die poetischen Gnostiker, die vor hundert Jahren den Morast eurer Philosophie erdacht haben. Dualismus – das bedeutet, dass in einer christlichen Welt das Böse ebenso mächtig sein kann wie das Gute.«
    »Ja, das ist uns bekannt.« Es sprachen einige gleichzeitig. »Wir kennen diese weltlichen Namen nicht. Aber wir kennen die Schlange, und wir wissen, was Gott von uns verlangt.«
    »Moses in der Wüste hob die Schlange hoch über sein Haupt«, sagte der Junge. »Selbst die Königin von Ägypten wusste von der Schlange, sie trug sie in ihrer Krone.«
    »Die Geschichte von dem großen Leviathan wurde in Rom ausgemerzt. Man hat sie aus den heiligen Schriften entfernt. Aber wir kennen sie!«, sagte eine der Frauen.

    »Also habt ihr all dies von armenischen Christen ge-hört? Oder von Syrern?«, fragte Marius.
    Ein Mann von kleiner Gestalt, mit grauen Augen, hatte die ganze Zeit über nichts gesagt, doch nun trat er vor und wandte sich mit beachtlicher Autorität an Marius.
    »Ihr besitzt uralte Wahrheiten«, sagte er, »und ihr benutzt sie für weltliche Zwecke. Alle wissen von euch. Die blonden Kinder der Finsternis, die in den nördlichen Wäldern leben, wissen von euch und dass ihr wichtige Geheimnisse aus Ägypten gestohlen habt, noch ehe Christus geboren wurde. Viele sind schon hier gewesen, haben dich und die Frau gesehen und sind voller Angst geflohen.«
    »Sehr klug!«, sagte Marius.
    »Was habt ihr in Ägypten gefunden?«, fragte die Frau.
    »In jenen Gewölben, die einst der Rasse der Bluttrinker gehörten, leben heute christliche Mönche. Die Mönche wissen nichts von uns, doch wir wissen alles von ihnen und euch. Es gab Schriften dort, Geheimnisse, es gab etwas, das nach göttlichem Willen nun in unsere Hände gehört.«
    »Nein, da war nichts«, sagte Marius.
    Wieder ergriff die Frau das Wort. »Als die Juden Ägypten verließen, als Moses das Rote Meer teilte, ließen sie da nicht etwas zurück? Warum hob Moses in der Wüste die Schlange hoch? Wisst ihr, wie viele wir sind? Fast hundert. Wir machen Reisen in den fernen Norden, in den Süden und selbst in den Osten, ihr würdet nicht glauben, in welchen Ländern wir schon waren.«
    Ich konnte sehen, dass Marius besorgt war.
    »Also gut«, sagte ich. »Wir wissen, was ihr wollt und warum ihr in dem Glauben seid, wir könnten euch zufrieden stellen. Ich bitte euch nun, in den Garten zu gehen, damit wir beide miteinander reden können. Respektiert unser Heim. Und tut unseren Sklaven nichts zu Leide.«
    »Daran würden wir nicht im Traum denken.«
    »Wir werden bald zurückkommen.«
    Ich griff nach Marius’ Hand und zog ihn die Stufen hinunter.
    »Wohin willst du?«, flüsterte er. »Du musst alle Vorstellungen in deinem Bewusstsein abblocken! Sie dürfen nichts zu sehen bekommen!«
    »Das werden sie auch nicht«, sagte ich, »und von dort, wo wir gleich stehen, werden sie auch von unserem Gespräch nichts hören können.«
    Er schien zu begreifen, was ich
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