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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
Autoren: George Neblin
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mit einer Tausend-Dollar-Nutte in einen Whirlpool steigt oder sich von einer Praktikantin mit dem Mund verwöhnen lässt. Aber von Zusammenhängen, die die intellektuelle Kapazität einer Zitrone übersteigen, hat er keinen Schimmer. Er versteht doch nicht eine Zeile unserer Memos – selbst von denen nicht, die für CEOs geschrieben werden. Seit er die Kontrolle bei Magnon übernommen hat, geht der Laden nach und nach den Bach runter.“
    Obwohl er mir nichts Neues erzählte, fühlte ich mich zunehmend eingeschnürt.
    „Für Fachfragen hat er seinem Stab“, versuchte ich, zu beschwichtigen.
    „Und diese Hurensöhne sind doch genau das Problem, Ethan. Gib mir hundert größenwahnsinnige, geistig minderbemittelte Vorstände mit vernünftigen Leuten in der zweiten Reihe, mit denen man arbeiten kann, und ich feiere Weihnachten und Chanukka zusammen. Aber DeVeres Speichellecker stöhnen nur über unsere Honorare und behaupten, wir hätten keine Ahnung von dem, was wir tun. Und warum? Ich sage Ihnen warum.“
    Die Färbung seines Gesichts wurde dunkler.
    „Dillinger, seine verdammte rechte Hand, ist verheiratet mit Ted Bakers verdammter Hure von Tochter.“
    Theodore „Ted“ Baker war Gründungspartner von Baker & Butcher, einer konkurrierenden Bostoner Anwaltskanzlei.
    „Und raten Sie mal“, fuhr Jack fort, „wem der alte Baker die monatlichen Zuwendungen erhöht, wenn ihm Magnon in die Hände fällt?“
    Er ging hinüber zum Sideboard und schenkte sich einen Bourbon ein.
    „Manchmal mache ich mir ein wenig Sorgen um Sie, Jack. Können Sie eigentlich noch ohne das Zeug?“ fragte ich und hoffte, mit dieser Frage nicht einen Schritt zu weit zu gehen.
    „Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Kumpel. Ich war mit diesem Freund“ – er ließ genussvoll einen Schluck im Mund zergehen – „schon per Du, bevor Sie an den Titten Ihrer Mutter genuckelt haben. Ich weiß, wie ich mit ihm umzugehen habe. Wenn ich es will, schütte ich das Zeug weg und trinke ein Jahr lang keinen Tropfen.“
    Ihr Wort drauf, Jack, dachte ich. Aber so oder so: Jack war mein Vorgesetzter. Ich konnte ihm ohnehin nicht einfach die Flasche wegnehmen. Und letztendlich war jeder für seine Leiche selbst verantwortlich.
    Damit dieser Vormittag nicht aus dem Ruder lief, galt es jetzt allerdings, Zuversicht zu verbreiten. Jack war mit einem Glas Bourbon inzwischen möglicherweise besser zu gebrauchen als nüchtern, aber volltrunken könnte er unseren Erfolg gefährden – obwohl man da auch nicht sicher sein konnte. Gerüchten zufolge war Royce DeVere einem morgendlichen Umtrunk gegenüber selbst nicht gerade abgeneigt.
    „Jack, beruhigen Sie sich. Wir werden das Mandat verteidigen, warten Sie’s ab. Ich bin sicher, dass man mit DeVere reden kann.“
    „Es geht nicht bloß um ein verdammtes Mandat von Westbury, Hawthorne & Clarke, Ethan. Für mich persönlich geht es um über 100 Mille im Jahr – Ihr Jahresgehalt, wenn Sie so wollen. Und für Sie? Wenn das hier in die Hose geht, ist das kein Schritt in Richtung Partnerschaft.“

5.   Kapitel

 
 
    Die Besprechung war für 11.00 Uhr angesetzt. Um 11.18 Uhr meldete Harriet, dass DeVere mit seiner Entourage das Gebäude betreten hatte.
    Royce DeVere war sechsundvierzig Jahre alt und hauptberuflich Sohn und Erbe seines Vaters Richard, der seit den 1970er Jahren das Familienunternehmen Magnon Industries Inc. von einem heimischen Kabelproduzenten mit einem Jahresgewinn von unter 10 Mio. Dollar in ein milliardenschweres, international agierendes Unternehmenskonglomerat mit rund 120.000 Beschäftigten weltweit verwandelt hatte. Seitdem Royce den Posten des CEO von seinem Vater übernommen hatte, war der Börsenkurs des Unternehmens allmählich aber stetig eingebrochen.
    Magnon hatte Westbury, Hawthorne & Clarke damit beauftragt, ihre Aktivitäten in Europa steuergünstig zu restrukturieren, seitdem die europäischen Hochsteuerländer durch restriktivere Gesetzgebung versuchten, Steuersubstrat in ihrem jeweiligen Land zu behalten.
    Obwohl Royce DeVere von der Materie erkennbar wenig, bis nichts verstand, bestand er auf einer persönlichen Präsentation unserer Gestaltungsvorschläge, um selbst darüber zu befinden. Er war bekannt für derartige „Entscheidungen auf höchster Ebene“. Da er ohnehin Termine in Boston wahrzunehmen gedachte, war die Besprechung in unseren Räumen angesetzt worden.
    Während Margery sich aufmachte, unsere Gäste im Foyer abzuholen, konnte ich Jack, dessen Atem
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