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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman
Autoren: Apfelblüten im August
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eine Sekunde gefror das Lächeln auf meinem Gesicht, als sie an mir vorbeigingen.
    Dann ging ich über die Straße und kaufte mir schwarze Haarfarbe.
    Männer wollen etwas anderes.
    Und dann tat ich das Schlimmste, was ich je getan habe. Ich habe es noch nie jemandem erzählt, und ich bin auch nicht erwischt worden, obwohl ich glaube, dass ich eigentlich erwischt werden wollte. Manchmal weiß ich nicht, was ich tun werde, bis ich es wirklich tue. Aber diesmal wusste ich es genau. Ein paar Jahre bevor ich Dad mit der anderen Frau erwischte, zeigte er mir einen Kontoauszug über zehntausend Dollar, mit unseren beiden Namen. »Das ist für dein College-Studium«, sagte er.
    Am Montag nach der Begegnung mit der Schwarzhaarigen ging ich mit klopfendem Herzen, aber wild entschlossen zur Bank. Ich hatte meinen Schülerausweis dabei und ging zu einer Kassiererin mit langen roten Glitzernägeln und Wimpern, die von den vielen Schichten Mascara so steif nach oben standen, dass ich mich unwillkürlich fragte, wie sich Blinzeln für sie anfühlte. Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe, aber ich verwandelte meine Nervosität erfolgreich in ein ziemlich freundliches Verhalten.
    »Ich möchte Geld von meinem Konto abheben.«
    »Dann musst du diesen Vordruck hier ausfüllen, Schätzchen«, sagte die Frau.
    »Aber ich weiß die Kontonummer nicht genau. Hier ist mein Ausweis.« Damit überreichte ich ihr meinen Schülerausweis mit meinem Bild und meiner Unterschrift. »Das Konto läuft auf mich und meinen Vater.« Dann sagte ich ihr Dads Namen und seine Adresse.
    Sie betrachtete mich stirnrunzelnd.
    Wieder begann mein Herz heftig zu pochen, Schweißperlen rollten mir über den Rücken. »Ich soll vierhundert Dollar für ihn abheben, weil ich nächste Woche Geburtstag habe und wir einen Einkaufsbummel machen. Heute.«
    »Hmm, da hätte er lieber mit dir vorbeikommen sollen.«
    Ich runzelte die Stirn. »Das hab ich ihm auch gesagt«, entgegnete ich und verdrehte die Augen. »Aber er meinte, er hat zu viel zu tun, und nächste Woche ist er auf Geschäftsreise, und heute ist der einzige Tag.« Meine Geschichte machte mich selbst so traurig, dass die Gefühle von all den Gelegenheiten, bei denen mein Vater mich enttäuscht hatte, mir Tränen in die Augen trieben. Ich war das kleine Mädchen, das nie ein Geschenk von seinem Vater bekam. Kein einziges Mal. Wenn ich etwas geschenkt bekam, dann hatte Joanne es ausgesucht. Oder er gab mir Geld. »Kauf dir was Schönes.« Aber meistens vergaß er es einfach.
    Die Mundwinkel der Frau rutschten ebenfalls nach unten.
    Zögernd nahm sie meinen Ausweis, sah ihn an, sah mich an, sah zu meinem Namen auf dem Computerbildschirm. Dann füllte sie die Kontonummer auf dem Vordruck aus, reichte ihn mir durchs Fenster und sagte: »Unterschreib das hier. Und füll deinen Namen und deine Adresse aus.«
    Schließlich steckte sie den Vordruck in eine Maschine und fragte: »Wie möchtest du das Geld?«
    Ich wusste nicht, was sie meinte.
    »Zwanziger, Fünfziger?«
    »Fünfziger.«
    Rasch holte sie ein paar Scheine aus ihrer Schublade, zählte sie ab und schob sie mir zu. Ich faltete sie zusammen und steckte sie in die Tasche meiner Jeans. »Danke«, rief ich noch, als ich die Bank verließ.
    Und ich wusste genau, wo ich hinwollte.
    Nämlich zum Klaviergeschäft. Zum Glück war noch da, was ich suchte, und im Schaufenster war sogar ein rotes Schild, auf dem stand: »Räumungsverkauf«. Seit ich vor ein paar Monaten hier gewesen war und Noten gekauft hatte, träumte ich davon. Ein paarmal war ich am Fenster vorbeigegangen, um mich zu vergewissern, dass es nicht verkauft worden war – das Keyboard. Im Sonderangebot. Gebraucht, aber in gutem Zustand. Es hatte alles: 61 große Tasten, die sich anfühlten wie aus Elfenbein. 128 Stimmen. Man stelle sich das vor. Über 180 Rhythmusstile. Speicher für fünf Songs, mit 16 Tracks für jeden. Ich konnte mein eigenes Orchester sein. Meine eigene Rockband. Ich konnte jeden Sound, den ich jemals gehört hatte oder mir vorstellte, mixen und remixen. Und das Keyboard war im Angebot für 350 Dollar.
    Der Mann erkannte mich sofort. »Du kommst also doch wieder, ja? Kauf es lieber schnell, es hat nämlich noch jemand Interesse daran gezeigt. Womöglich nimmt er es heute noch mit.«
    Zwar war ich nur ein Teenager, aber ich wusste, wann ich verschaukelt wurde. Trotzdem zog ich meine Fünfziger aus der Tasche, zählte sieben davon ab und gab sie dem Mann.
    »Willst du auch
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