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Angstschrei: Thriller

Angstschrei: Thriller

Titel: Angstschrei: Thriller
Autoren: James Hayman
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Sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und verspürte Hunger. Obwohl– oder vielleicht auch weil– sie sich für gewöhnlich streng an ihren Diätspeiseplan, bestehend aus gegrilltem Fisch oder Hühnchen und grünen Salaten, hielt, bekam sie jetzt riesige Lust auf eine von Kyles dicken, knoblauchhaltigen Schweinswürsten, bedeckt mit gedünsteten Zwiebeln und Kyles selbst gemachter Spezialsoße. Von ihrem Ausguck hier oben im sechsten Stock konnte sie die Würstchen zwar nicht sehen, aber sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie in der eiskalten Luft über der rot glühenden Holzkohle vor sich hin brutzelten. Sie hatte sogar beinahe den Geschmack des ersten heißen Fettspritzers im Mund, der folgte, nachdem man mit den Zähnen die Wurstpelle durchbissen hatte.
    Lainie merkte, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Kurz überlegte sie, ob sie der Versuchung nachgeben, hinunterlaufen und sich eines von diesen verdammenswerten, aber köstlichen Dingern besorgen sollte. Und vielleicht gleich noch ein bisschen Koks dazu. Zwei zum Preis von einem. Wahrscheinlich eine blöde Idee. Aber es würde nur eine Minute dauern. Auch nicht länger als ein Abstecher auf die Toilette. Möglicherweise verpasste sie Hanks Anruf, aber er würde ihr eine Nachricht hinterlassen. Wenn sie Hank allerdings mit ihrem Zwiebel-und-Knoblauch-Atem von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, dann würde er das womöglich abstoßend finden. Na und? Mundgeruch war schließlich kein Grund, jemandem eine Teilhaberschaft zu verweigern, oder? Und vielleicht ersparte sie sich so das Intermezzo auf dem roten Ledersofa. Andererseits: In weniger als vierundzwanzig Stunden würde sie nur mit einem winzigen Bikini bekleidet an einem wunderschönen Strand in der Sonne liegen. Da sollte nicht einmal der Hauch einer Wölbung ihre nahezu perfekte Figur ruinieren. » Ach, was soll’s«, sagte sie schließlich. Sie nahm den FedEx-Umschlag vom Schreibtisch, um ihn in den Briefkasten vor dem Haus zu werfen, und machte sich auf den Weg zum Fahrstuhl. Sie würde einfach das Abendessen ausfallen lassen.
    Als sie mit dem Koks in der Tasche und einer heißen Wurst in der Hand von ihrem kurzen Spurt quer über den Platz zurückkam– sie hatte dazu nicht einmal ihren Mantel angezogen–, da hatte Hank immer noch nicht angerufen. Lainie legte die langen, schlanken Beine auf den Schreibtisch und biss herzhaft in ihren saftigen Imbiss. Sie stöhnte quasi laut vor Wonne. Das war besser als Sex. Viel besser. Sie kaute, und dabei kamen ihr die Chorsänger unten auf dem Platz in den Sinn. Plötzlich verspürte sie den drängenden Wunsch nach einem eigenen Kind, einem Kind, mit dem sie Weihnachten feiern konnte. Das sie lieben und beschützen konnte. So, wie ihre Mutter sie beschützt hatte? Nein, besser als sie. Viel besser. Keines ihrer Kinder würde jemals die Hölle erleben, die sie hatte durchmachen müssen. Dafür würde sie sorgen. Kein Kind auf der ganzen Welt sollte so etwas erleiden müssen. Zumindest würde Lainie alles in ihrer Macht Stehende tun, um es zu verhindern. Nun, im Moment erschien ihr das alles ziemlich weit weg. Irgendwann würde es vielleicht so weit sein, aber jetzt musste sie Härte zeigen. Das Streben sollt aus härterem Stoff bestehen, hieß es bei Shakespeare.
    Ja, dachte sie, das Streben sollt aus härterem Stoff bestehen. Besaß sie die Härte, die nötig war, um sie dahin zu bringen, wo sie hinwollte? Lainie Goff aus Rockport, mit Umsteigen in Rockland. Die Überfliegerin und Superstudentin. Die Jahrgangsbeste ihrer Highschool und Gewinnerin eines fast hundertprozentigen Stipendiums für vier Jahre am Colby College und danach noch einmal drei Jahre an der Cornell Law School. Lainie Goff, die alle, einschließlich Hank, nur als brillante, gnadenlose, selbstbewusste Siegertype kannten. Lainie Goff, die alles schaffen, die sich sogar bis ganz nach oben vögeln konnte. Besaß sie wirklich die nötige Härte? Sie war sich nicht sicher. Bis jetzt war es ihr zumindest gelungen, alle anderen zu täuschen. Nur sie selbst kannte die Wahrheit. Lainie, der Superstar, war ein Phantom. Die wahre Lainie war eine Frau, die keiner Liebe würdig war, nicht einmal ihrer eigenen. Eine Frau, die den Erfolg, nach dem sie so verzweifelt strebte, nur auf dem Rücken liegend erreichen konnte, mit gespreizten Beinen und heruntergelassenem Höschen. Wallace Stevens Albright wäre mächtig stolz auf das, was er geschaffen hatte. Er hatte gewollt, dass sie
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