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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch
Autoren: Julia Crouch
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fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie spürte eine Berührung auf den Oberschenkeln, und als sie aufblickte, sah sie Polly vor sich knien.
    »Rose, ich erklär dir, was wir jetzt machen. Ich bring die Kinder zu Simon. Ich sag ihm, es hat einen Unfall gegeben. Du rufst Kate an und sagst ihr, dass du nicht weißt, was du machen sollst. Lass sie einfach die Führung übernehmen. Das kann sie gut. Du bist durcheinander, nutz das. Ich bin gleich wieder da, und dann erzählen wir denen unsere Geschichte, wie Gareth gestürzt ist, als er auf dich losgehen wollte.«
    Rose nickte stumm.
    »Eigentlich bin ich froh«, fuhr Polly fort. »Ich hatte nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde, aber jetzt ist alles wieder so, wie es sein sollte. Jetzt sind wir beide wieder da, wo wir hingehören. Alles andere ist Schnee von gestern, stimmt’s?«
    Polly stand auf und entriegelte die Hintertür. Dann drehte sie sich noch einmal zu Rose um. Ihre Augen brannten.
    »Weißt du, Rose, nach deinem Besuch auf Karpathos war Christos nie mehr derselbe.« Dann, in einem Ausbruch plötzlicher Wut, spuckte sie auf den Boden. » Nie mehr .«
    Sie öffnete die Tür und ging hinaus in den Garten.
    Rose vermied es, Gareth anzusehen, als sie aufstand und durch einen Schlitz im Vorhang spähte. Sie sah, wie Polly die Kinder um sich versammelte. Sie lachte und scherzte mit ihnen, als wäre nicht das Geringste vorgefallen. Etwas, das Polly sagte, ließ sie in lautes Jubelgeschrei ausbrechen.
    Sie schien sehr geübt darin, andere zu täuschen.

Zwei Jahre später

47
    M aman!«
    Flossie kam über den kümmerlichen Rasen gedackelt, die Ärmchen nach der Mutter ausgestreckt. Anna fing sie auf und ließ sich mit ihr zu Boden fallen. Die Mädchen lachten, als sie ineinander verknäuelt den mit Blumen gesprenkelten Hang hinunterkullerten, an dessen Fuß sich ihre Mutter auf einer Decke unter einem Kirschbaum sonnte.
    Rose nahm die beiden lachend in die Arme, drückte sie fest an sich und atmete ihren Duft von Salz und Meer und Himmel ein. Sie streckten sich nebeneinander aus und sahen zu den tanzenden Blüten über ihren Köpfen hinauf. Rose schloss die Augen und lauschte dem entfernten Rauschen der Wellen, die wenige Meter von ihrem Ruheplatz entfernt an den Sand schlugen und all die Energie abgaben, die sie auf ihrer Reise über den weiten sich westwärts erstreckenden Ozean gesammelt hatten.
    » Maman .« Flossie hatte sich aufgesetzt, beugte sich über Rose und kitzelte ihre Nase mit einem langen Grashalm. Rose streckte die Hand aus und kraulte sie am Bauch. Das kleine Mädchen quietschte vor Vergnügen, und ihre klaren Augen tanzten.
    Anna sah ihnen lächelnd zu. »Es heißt Mummy , Flossie. Mummy .«
    »Nein, maman !«, beharrte Flossie.
    Zum vierten Mal in ebenso vielen Tagen dankte Rose dem Himmel für die Unbeschwertheit, die ins Leben ihrer Töchter, so wie in alles um sie herum, zurückgekehrt war. Es hatte lange gedauert, aber nun waren sie endlich angekommen.
    »Da seid ihr ja.« Andy kam um den Zaun zum Obstgarten herum und wischte sich die Hände an einem ölverschmierten Lappen ab. Seit sich vor einigen Wochen das Wetter aufgeheitert hatte, arbeitete er an seinem Boot. Er hatte vor, die Sommermorgen wieder draußen auf See zu verbringen und Fisch für das Restaurant im Ort zu fangen. Rose versorgte dasselbe Restaurant das ganze Jahr über mit Eiern, Marmeladen und Gemüse aus dem Garten, den sie der kargen Erde dieser kleinen Insel vor der bretonischen Westküste abgetrotzt hatte.
    Trotz des Geldes, das Rose aus dem Verkauf ihres Hauses bekommen hatte, führten sie, Andy und die Mädchen auf der Île d’Ouessant ein bewusst bescheidenes Leben. Sie versorgten sich mit fast allem selbst und besaßen weder Fernseher noch Telefon oder Internet. Nur wenige Menschen fanden den Weg zu ihnen, darunter Frank und Molly, die alle paar Monate mit Johnny, Roses kleinem Enkelsohn, zu Besuch kamen. Rose war sehr froh, dass sie der jungen Familie zu einem besseren Start ins Leben hatte verhelfen können, indem sie ihnen in Brighton ein Haus gekauft hatte. Es war eine Art Wiedergutmachung.
    Sie hatte endlich Frieden gefunden.
    »Sieh sich das einer an, wie ihr hier faulenzt.« Andy schmunzelte.
    »Man kann nicht immer nur arbeiten.« Rose blickte zu ihm auf. Er sah so schön aus im warmen Sonnenlicht. Das Glück stand ihm gut.
    Andy hob Flossie hoch, ließ sich mit ihr auf dem Schoß neben Rose nieder und legte die Arme um sie und die
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