Angstfalle
fielen ihr Kullmanns Beobachtungen ein. Er hatte sich ebenfalls Gedanken um diese junge Frau gemacht. In seinem Fall war die Vermutung falsch. Nicht nur das, er wurde nun auch noch von seinen ehemaligen Mitarbeitern belächelt.
Wollte sie wirklich riskieren, dass es ihr genauso erging?
Sie blieb stehen, obwohl die Kälte durch ihre Kleider kroch. Auch wenn die Vernunft immer wieder über sie siegen wollte, nämlich nicht den gleichen Fehler zu machen wie Kullmann, konnte sie ihre Augen nicht von dem Treiben abwenden. Vielleicht trieben Trixi und ihr Liebhaber nur ein verwegenes Spiel im Schnee. Da es im Saarland so selten schneite, konnte das zu ausgefallenen Ideen verleiten.
Wer wusste schon, wann wieder die Gelegenheit dazu war?
Aber beruhigen konnte sie das nicht.
24
Wieder im Haus, wollte Bruno ihr ungeschickt den Pullover ausziehen. Trixi nutzte einen Moment seiner kurzen Unaufmerksamkeit, machte einen Satz zur Seite und rannte in ihr Schlafzimmer. Die Tür warf sie hinter sich zu, aber zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass kein Schlüssel steckte. So konnte sie sich nicht vor ihm schützen. Sie lief weiter zum Fenster, öffnete es, sprang hinaus und landete genau an der Stelle, an der sie nächtelang beobachtet worden war. Im hohen Schnee waren keine Spuren zu sehen. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Bruno nicht nachgekommen war. Hatte sie ihn abgehängt? Es blieb ihr jedoch nur ein Fluchtweg, nämlich auf der rechten Seite am Haus vorbei. An der anderen Seite war direkt neben dem Haus ein alter, rostiger Zaun, der schon vor Jahren hätte entfernt werden sollen. Zu Trixis Pech hatte das niemand getan.
Oder sie kraxelte den Berg hinauf. Sie schaute nach oben. Der Weg war steil und schneebedeckt. Niemals würde sie das schaffen. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie hatte keine Zeit. Je länger sie in dieser Sackgasse verharrte, umso sicherer würde Bruno sie wieder schnappen. Also rannte sie los.
An der Hausecke prallte sie mit ihrem Verfolger zusammen. Dabei war ihr Schwung so groß, dass der große, schwere Mann durch ihren Aufprall nach hinten fiel. Ganz fest hielt er Trixi umklammert. So sehr sie auch versuchte, sich frei zu strampeln, gegen Brunos starke Arme hatte sie keine Chance.
So stand er auf und trug die zappelnde Trixi ins Haus zurück.
Abermals kam ihr der Vergleich mit King-Kong und der weißen Frau in den Sinn. Sie warf einen Blick auf Bruno Dolds Gesicht. Vor Anstrengung hatte sich ein Schweißfilm gebildet. Die Spitze seiner Zunge lugte zwischen den Lippen hervor, ein Zeichen seiner Konzentration. Trixi stellte fest, dass der Riesenaffe im Vergleich zu Bruno Dold entschieden besser wegkam.
Und nicht nur das; King-Kong hatte gute Absichten mit der weißen Frau, wovon sie bei Bruno Dold nicht ausgehen konnte.
»Nun hören wir aber mit den Spielchen auf.«
Er nahm einen Strick aus einem Koffer. Trixi bekam große Augen. Er hatte sein Werkzeug in weiser Voraussicht mitgebracht. Damit fesselte er sie an den Küchenstuhl. Während er sie mit Präzision festband, sprach er mit ihr wie mit einem ungehorsamen Kind: »So, meine Liebe! Jetzt werde ich dir Badewasser einlassen, dann wirst du erst einmal richtig baden. So schmutzig mag ich dich nicht!«
Er verließ die Küche. Trixi hörte, wie er im Badezimmer Wasser in die Wanne einlaufen ließ. Ihre Situation war aussichtslos. Sie konnte nur noch abwarten.
Eine Hoffnung gab es noch, fiel ihr ein. Ein Strohhalm, an den sie sich klammern konnte. Auch wenn es eher unwahrscheinlich war, so hoffte sie doch, dass Fritz Lörsch sie besuchen käme. Er hatte sie schon einmal mit seinem Besuch überrascht. Wie schön wäre es, wenn er ausgerechnet jetzt wieder auftauchen würde.
Aber diese Hoffnung wurde durch das Rauschen des Wassers, das Bruno in die Wanne laufen ließ, auf eine harte Probe gestellt. Die Zeit des Abwartens, der Ungewissheit, was auf sie zukam, wurde für Trixi unerträglich. Ihre Angst wuchs. Wenn Bruno wollte, dass sie in die Wanne stieg, würde ihm das auch gelingen. Er war stärker als sie. Trixi begann zu weinen. Sie fühlte sich hilflos und ausgeliefert. Und das alles nur, weil sie ihn früher gehänselt hatte? Wie konnte sie ahnen, welche Konsequenzen ihr Übermut später haben würde?
Trixi fielen auch wieder die beiden Jungen Lord Helmchen und Bugs Bunny ein. Auch die beiden waren ihrem Sarkasmus zum Opfer gefallen. Wie gut, dass sie weit weggezogen waren. Heute erst erkannte Trixi, dass sie mit ihren
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